Wenn ein Unternehmen die aktuellen Auswirkungen der Corona-Krise im Griff hat, aber trotzdem aufgrund verschiedenster Umstände der Betrieb eingeschränkt verläuft, dann soll man nicht prokrastinieren, sondern sich für einen Strategieprozess vorbereiten.
Arbeitswelt, Finanzierung, Beschaffung – Vieles wird nicht mehr „von selbst“ funktionieren, nur weil es eingespielt war und das Unternehmen von Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und Financiers als solider Partner gesehen wurde. Schon deswegen sollte man sich die Situation des eigenen Unternehmens in fix geplanter Auszeit vom Tagesgeschäft „zu Gemüte führen“.
Die Routinen sind verinnerlicht und es ist nicht leicht, die Firma in Bezug auf kritische Faktoren und ihre strategische Position zu überprüfen. Was könnte sich geändert haben?
Der allgemeine Zustand der Branche, strukturelle Änderungen (neue Anbieter), Veränderungen des eigenen Anteils am bisherigen Markt. Wie geht es den wichtigsten Mitbewerbern? Hat sich an der Wertschöpfung in Abschnitten des Produktions- bzw. Dienstleistungsprogramms durch die Digitalisierung Wesentliches verändert? Neubewertung der Auswirkungen der wichtigsten Investitionsvorhaben der letzten Jahre, und ganz bedeutsam: passen die vor der Krise geplanten Investitionen noch in dieser Form? Also, ganz viele Themen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Hineindenken in diese Zusammenhänge unternehmerisch denkende Menschen auf neue Gedanken kommen lässt. Voraussetzung zur groben Einschätzung sind Zeit, Offenheit zu sich selbst und auch zum Führungsteam. Ein zumindest teilweise moderierter Prozess unterstützt das Vorhaben.
Der Kern aller Geschäftsstrategien ist die Fähigkeit, Wertschöpfung zu generieren, aus Sicht der Kunden, auf Basis optimal eingesetzter Ressourcen wie auch aus Sicht der Eigentümer. Zu Beginn sollte man überprüfen, ob die internen Finanzinformationen noch aktuell sind. Wenn das so ist, können diese mit der oben angesprochenen strategischen Einschätzung verglichen und auf Kompatibilität hin geprüft werden.
Mein eigenes praktisches Modell dazu ist die Beurteilung anhand einer Matrix1, die das unternehmerische Potenzial mit dem unternehmerischen Risiko vergleicht. Es müssen dabei Kombinationen aus hohem bzw. geringem Risiko mit hohem bzw. geringem Potenzial angeschaut werden. Über die dynamische Betrachtung des Modells gelangt man zu Veränderungen in der Potenzial-Risiko-Kombination und erkennt somit, ob im Hinblick auf zukünftige Entscheidungen das Erfordernis besteht, einen Strategieprozess zu organisieren.
Univ.-Prof. Mag. Dr. Erhard Juritsch, Vorstand KWF Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds, Universitätsprofessor Zentrum für Angewandte Betriebswirtschaftslehre und Entrepreneurship Universität Graz
18. Februar 2021