Vieles spricht dafür, dass wir uns in einer Wendezeit befinden. Wenn es stimmt, was manche Ökonomen prophezeien, wird uns die Corona-Krise die größte Rezession aller Zeiten bescheren. Dann wäre es wirklich angebracht, die Zeit vor dem derzeitigen Ausnahmezustand von der danach zu unterscheiden, wenn wir wieder schrittweise in den Alltag zurückkehren werden.

Derzeit herrscht große Betroffenheit. Der anfänglichen Ungläubigkeit, jemals so etwas erleben zu müssen, ist Gewissheit, Unsicherheit und Furcht gewichen. Eine Situation, der unsere Nachkriegsgenerationen erstmals und unverhofft gegenüberstehen. Die peinigende Frage, wie sehr auch ich persönlich getroffen werde, gesundheitlich, ökonomisch, ja existenziell, nagt an der zuvor selbstverständlichen, unbeschwerten Leichtigkeit des Seins vor der Pandemie. Bis dahin kannten wir solche Situationen der Ohnmacht und des Ausgeliefert-Seins nur aus den Nachrichten, waren immer nur andere betroffen. Jetzt aber scheint die ganze Welt infiziert zu werden! Unsere bisherige Scheinsicherheit ist plötzlich zusammengebrochen.

Nun zeigt sich der Wert von Solidarität und gegenseitiger Verantwortung. Sie sind der eigentliche Kitt der Gesellschaft, mitnichten die Summe egoistischen Verhaltens, die den „unsichtbaren Markt“ regelt und „automatisch“ alles zum Guten wenden soll. Nun bemerken wir, was es wirklich braucht, um unsere Gesellschaft in ihren Grundbedürfnissen zu stabilisieren. Jetzt bekommen die bisher unbemerkten Systemerhalter und Menschen, die sich uneigennützig für andere einsetzen, einen neuen Stellenwert. Die Prediger des freien Marktes hingegen fordern Staatshilfe! Daran zeigt sich, dass wir alle in einem Boot sitzen und zusammenhalten müssen, wenn wir die Krise meistern wollen.

Doch wie wird es sein, wenn wir wieder zur „Normalität“ zurückkehren werden? Ich würde nicht darauf wetten, dass wir uns dann insgesamt vernünftiger verhalten werden. Das aber wäre notwendig angesichts des Klimawandels, der uns viel stärker treffen wird als das Virus.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir uns wieder eines vernünftigen Verstandes bedienen sollten.

Horst Peter Groß, Präsident des Universitäts.club|Wissenschaftsverein Kärnten

01. April 2020