Folgt man den Virologen, dann erfordert die Corona-Pandemie schnelles und konsequentes Handeln. Nach und nach schwenken auch jene Staatslenker, die zunächst das Virus als wenig bedrohlich eingestuft oder auf den Hausverstand der Bevölkerung gesetzt hatten, ihre Politik um auf Ausgangssperren, Geschäftsschließungen und andere Restriktionen. Und das in einer Situation, in der die Bedrohung, vor der wir alle durch das Verhalten aller geschützt werden sollen, für die meisten von uns tatsächlich unsichtbar ist.

In dieser unsichtbarsten aller Krisen gelten jene als Helden der Stunde, die früh entschlossen handeln. Die Geschwindigkeit, mit der seit kurzem autokratische Entscheidungen getroffen, demokratische Strukturen außer Kraft gesetzt und außerordentliche Belastungen für die Menschen verordnet werden, ist atemberaubend. Österreich kommt hier eine „Vorreiterrolle“ zu, auf die der Kanzler stolz ist und für die das Volk ihm in einem Ausmaß zujubelt, das im europäischen Vergleich erstaunt. Hausarrest, Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Insolvenz, Vereinsamung, Zunahme häuslicher Gewalt – all das nehmen wir derzeit weitgehend klaglos hin. Die Verschärfungen erfolgen dabei in einer Art Salamitaktik, deren Grund nur darin liegen kann, weitere Folgsamkeit zu gewährleisten und Widerstand zu verunmöglichen.

Es ist zu befürchten, dass wir, je länger die Ausnahmesituationen dauern, umso mehr uns an die veränderten Bedingungen und die Einschränkung unserer Rechte gewöhnen werden. Das ist gefährlich für unsere Demokratie und die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, die als Grundlage demokratischer Ordnungen dienen. Auch vor Corona wurde bereits massiv an beiden Grundfesten unserer Gesellschaft – Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – gegraben. Umso mehr bedarf es unserer besonderen Aufmerksamkeit, dass wir auf die Wiederherstellung unserer Grundrechte und der rechtsstaatlichen Prinzipien achten, sobald der Scheitelpunkt der Krise überschritten ist. Sonst wird der Ausnahmezustand zum Normalzustand und wir leben unversehens in einer Autokratie.

Heike Egner, Ida Pfeiffer Professorin an der Universität Wien und Vorstandsmitglied des Universitäts.club|Wissenschaftsverein Kärnten

03. April 2020