In Folge vier unseres QUERgedacht-Onlinetalks überlegen Kabarettist Vince Ebert und Soziologe Harald Welzer mit Präsident Horst Peter Groß und Moderator Christian Hölbling, wie sich die Menschen eine bessere Zukunft gestalten können – denn Wissen allein führt noch nicht zum Handeln.

 

Gute Gestaltungsmöglichkeiten?
Vince Ebert, studierter Physiker und seit 20 Jahren erfolgreicher Wissenschaftskabarettist, schrieb mehrere Bestseller, unter anderem „Denken Sie selbst, sonst tun es andere für Sie“. Ihn und einen weiteren renommierten Selbstdenker, nämlich den deutschen Soziologen Harald Welzer, hat der Universitätsclub zur vierten Folge der Online-Diskussionsreihe „Quer gedacht“ eingeladen. „Alles ändert sich. Welche Zukunft wollen wir?“ ist diesmal das Thema des sehr lebendigen und durchaus kontroversen Dialogs. Uniclub-Präsident Horst Peter Groß verweist eingangs darauf, dass man sich früher primär dafür eingesetzt habe, dass es den Kindern einmal besser gehen solle. Seit der Jahrtausendwende sei man aber schon froh, wenn es ihnen zumindest nicht schlechter gehe. Harald Welzer relativiert unsere subjektiven Alltagswahrnehmungen: „Es ist eine Täuschung, wenn wir glauben, alles wird schlechter. Bei Gesundheit, Wohlstand und Bildung gibt es global eine Aufwärtsentwicklung. Unsere Gestaltungsmöglichkeiten sind besser als jemals in der Geschichte.“ Kabarettist Vince Ebert wiederum beobachtet, dass sein Publikum teilweise gar keine positiven Nachrichten hören will. Das sei aber nur eine von vielen Ambivalenzen: „Wir gehen auf Klimademos, aber die Kurztrips nach London und die Fahrt im SUV wollen wir trotzdem haben.“

Best-Practice-Beispiele als Motivation
Warum tun wir uns so schwer, trotz all unseres Wissens unser Verhalten zu ändern, fragt Moderator Christian Hölbling. Die Antwort des Soziologen Welzer ist ernüchternd: „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Wissen und Handeln, sondern wir Menschen handeln auf der Grundlage von Beziehungen; wir wollen primär, dass die anderen uns gut finden.“ Anstatt das Wachstumsdenken prinzipiell in Frage zu stellen, würden wir technische Scheindiskussionen führen, etwa dass Kreuzfahrtschiffe mit Gas betrieben werden könnten. Vince Ebert berichtet, dass die Umweltqualität einer Region direkt mit dem Durchschnittseinkommen zusammenhänge: „Wer unter Armut leidet, kann sich nicht auch noch um die Umwelt kümmern.“ Dafür sei es heute etwa möglich, im Rhein zu schwimmen, was früher lebensgefährlich war. „Ja, aber nur, weil wir die Verschmutzung in die dritte Welt exportieren“, schränkt Horst Peter Groß ein. Soziologe Welzer sieht den Weg in ordnungspolitischen Maßnahmen, anstatt sich nur auf marktorientierte Lösungen zu verlassen. Auch seien die zahlreichen Best-Practice-Beispiele motivierender als der ständige Blick auf alles, was nicht gelungen ist. Welzer, dessen Bücher in 22 Sprachen übersetzt wurden, hält auch nichts von der Rettung der gesamten Welt: „Ich muss in meinem eigenen Handlungsraum Veränderungen bewirken, im Staat oder maximal in der EU. Was habe ich schon für einen Einfluss auf Trump, Bolzonaro oder den chinesischen Volkskongress?“ Jeder könne in unserer Gesellschaft demokratisch mitgestalten, denn man dürfe nicht vergessen, dass auch unsere liberale Demokratie im weltweiten Vergleich ein Best-Practice-Beispiel des guten Lebens sei. Ganz im Sinne von Groß, dessen Uniclub zahlreiche Aktivitäten, wie etwa die „Landschaft des Wissens“, für regionale Entwicklung setzt. Er und Welzer betonen übereinstimmend, es sei höchst an der Zeit, unser Naturverhältnis zu modernisieren, sodass es nicht zerstörerisch ist. Und Vince Ebert ergänzt pointiert: „Demokratie ist wie Wissenschaft – man irrt sich nach oben.“