Achtsamkeit ist eine „Tugend“, die offensichtlich nicht in unsere Welt passt. Dies gilt auch für Werte wie Solidarität und Gerechtigkeit, die viel zu einseitig aus Sicht jeweiliger Interessenslagen betrachtet werden, die durchgesetzt werden möchten. Dabei geht es um Definitionsmacht. Das zeigt sich auch am Generationenkonflikt, der im Zusammenhang mit den beiden Krisenphänomenen Corona-Pandemie und Klimawandel, in denen die Bedürfnisse und Ansprüche der Ältesten und Jüngsten der Gesellschaft gegenüber gestellt und in destruktiver Weise gegeneinander ausgespielt werden. Doch der Generationenkonflikt basiert auf einem anthropologischen Grundwiderspruch und ist damit ein „notwendiger“ Konflikt, der uns Menschen seit Anbeginn begleitet. Er wird (und muss) von Generation zu Generation neu ausgetragen (werden) und ist daher nicht zu verhindern. In diesem Sinne braucht es einen anderen Umgang damit, als den des Versuchs der gegenseitigen Übervorteilung.

So werden in der Corona-Pandemie allen voran die Ältesten, weil am meisten Gefährdeten, geschützt, folglich auch als Erste geimpft. Eine ethisch gut nachvollziehbare politische Entscheidung. Kinder, Jugendliche, Studierende und junge Arbeitssuchende tragen die Last der Corona-bedingten Einschränkungen der Lockdowns mittlerweile seit fast einem Jahr mit. Doch sie, die den längsten Teil ihrer Zukunft noch vor sich haben und sich darauf bestmöglich vorbereiten müssten, haben sich nach den Vorgaben einer gegenwartsfixierten Politik zu richten, die verzweifelt versucht, der Pandemie Herr zu werden. Im einseitigen, fast schon autistischen Fokus darauf nimmt sie Kollateralschäden in Kauf, welche in doppelter Weise auf Kosten der jüngeren Generationen gehen.

Gegenwärtig sind es ihre stark beeinträchtigten Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, insbesondere durch die soziale Isolierung, das Distance-Learning und damit einhergehend eine deutliche Reduktion der Bildungsinhalte und -prozesse. Unser Bildungssystem war auf diese Situation nicht vorbereitet – nicht zuletzt deshalb, weil in der Vergangenheit viel zu wenig in den Öffentlichen Bereich investiert wurde, nicht einmal nach dem ersten Lockdown, nachdem man es besser wissen konnte. Dazu kommen die fehlenden Berufschancen, weil aufgrund der Lockdowns auch der Arbeitsmarkt dramatisch eingebrochen ist.

Zukünftig ist es die wider besseren Wissens beharrliche Ignoranz des Klimawandels, welcher die Lebensbedingungen jüngerer Generationen prägen wird. Die Erderwärmung, eine gigantische Umweltverschmutzung und der dramatische Verlust der Artenvielfalt werden unsere natürlichen Lebensgrundlagen auf lange Sicht zerstören. Infolge dessen könnten sich auch Migrationsströme massiv verstärken und zu gesellschaftspolitischen Verwerfungen führen, welche die historische Errungenschaft der Demokratie und unsere offene Gesellschaft gefährden. Allein technologische „Exzellenz“ wird uns aus dieser aktuellen Sackgasse nicht heraushelfen, trotz allen Fortschrittsglaubens.

Wenn nun „Fridays4Futur““ oder die „Generation Earth“ berechtigterweise um ihre Zukunftschancen kämpfen und sich dabei gegen die Ignoranz und den Lebensstil der älteren Generationen richten, werden Schuldzuweisungen nicht den notwendigen Erfolg bringen. Das gilt umgekehrt auch für die Empörung der „Alten“, die beharrlich ihre „wohl erworbenen Rechte“ verteidigen. Für eine gemeinsame Zukunft braucht es eine Kommunikation im Bewusstsein, dass wir alle im selben Boot (Planet Erde) sitzen und uns daher nicht auf Kosten der anderen retten können. Im aristotelischen Sinne muss eine Balance gefunden werden, die uns allen einen gemeinsamen Schritt weiter ermöglicht. Sich der Achtsamkeit als Tugend zu erinnern, kann dabei helfen, beinhaltet sie doch auch die Achtung des Gegenübers.

Horst Peter Groß, Präsident des Universitäts.club|Wissenschaftsverein Kärnten

25. Jänner 2021