„Das Nulldefizit ist eine ethische Notwendigkeit, … keine Schulden mehr, weil es um die Zukunft der nächsten Generation geht“ (Kardinal Christoph Schönborn). Religionen geben ein Versprechen ab, dass es uns im Jenseits gut geht, wenn wir gottgefällig sind.

Im Diesseits gelten die Errungenschaften für ein besseres Leben. Sie wurden durch (Vor-)Finanzierung geschaffen. Statt Schulden in absoluter Zahl ist die Verschuldungsfähigkeit zu betrachten. Starke Ökonomien finanzieren Schulden für Infrastrukturinvestitionen, welche für ihre Leistungsfähigkeit bedeutend sind, wie etwa Bildung oder Forschung. Der Bruttoverschuldung misst man zu viel Bedeutung bei. Schulden und Vermögen sind gleich hoch. Schuldenmachen „koste es, was es wolle“ ist jetzt auf einmal politisch opportun. Denjenigen, die über Verschuldung gewettert haben, geht es nur um Freiheit der nationalen Verschuldung, nicht um Schulden für ein gemeinsames Europa.

Die Währungsunion besteht aus Staaten mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit. Gemeinsame Schulden ermöglichen Kredite ohne Zinsen, weil (fast) Triple-A-Staaten Haftungen1 abgeben. Kohäsion2 wird unterstützt und damit die EURO-Zone ausgeglichener leistungsfähig. Eine fällige Überwindung der elementaren Schwäche in der Konstruktion des Euro. Konsequenterweise, gehört die Diskussion über Zuschüsse in die Verhandlungen zum EU-Budget3. Vervielfacht, nicht gedeckelt mit 1% des BIP der EU. Schwerpunkte: Aktive europäische Industriepolitik, Forschung, große Leuchtturmprojekte (europäisches GPS, EBS4 u.Ä.). Schwächere Regionen werden an das europäische Niveau herangeführt. Ein Top-Down-Ansatz zugleich mit Bottom-Up-Strategien, um bei den Bürgern akzeptiert zu sein. Realwirtschaftliche Maßnahmen sind besser geeignet als eine Zuschusspolitik mit groß dimensionierter Gießkanne.

Die Änderung der Position Deutschlands muss genützt werden, um die Integration voranzutreiben. Die unterschiedliche Entwicklung der Staaten wird sonst weiter zunehmen. Dies schadet auch den starken Staaten, weil die schwachen ihnen – vereinfacht gesagt – nichts abkaufen können.

Die Krise zeigt deutlich, was eine funktionierende Wirtschaft und ein wettbewerbsfähiges Europa leistet. Gleichzeitig auch, wie fragil dieses Wohlstandsmodell ist.

Kardinäle werden sich in nächster Zeit nicht mehr über die Amoralität von Schulden äußern.

Univ.-Prof. Mag. Dr. Erhard Juritsch, Vorstand KWF Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds, Universitätsprofessor Zentrum für Angewandte Betriebswirtschaftslehre und Entrepreneurship Universität Graz

28. Mai 2020

1 Haftungsverbünde können so gestaltet werden, dass nicht alle für alles haften.
2 Der Begriff fokussiert die regionalen Unterschiede hinsichtlich der Wirtschaftsleistung und deren Verringerung über Strukturfonds.
3 Die nächste Programmperiode beginnt 2021 und dauert sieben Jahre.
4 Electronic Based Systems