In Folge 2 unseres neuen Online-Talks haben wir Humangeografin Heike Egner und Musikkabarettist Christof Spörk eingeladen. Die Professorin an der Uni Wien beschäftigt sich mit den menschlichen Aktivitäten auf der Erdoberfläche und das  tut auch der gelernte Politikwissenschaftler , wenn auch auf ganz andere Art und Weise. Spannt man diese beiden Persönlichkeiten zusammen, so entsteht eine angeregte Diskussion über die geschlossene Gesellschaft und ihre Freunde.


Trend zu Verschwörungsmythen

„Der Kampf um die Freiheit ist ein ewiger“, schrieb der Philosoph Karl Popper. Derzeit gehe Seuchenschutz mit gewissen demokratischen Vorstellungen nicht zusammen, beobachtet Christof Spörk: „Die Gefahr ist, dass die neue Normalität in Richtung illiberale Demokratie geht.“ Noch gefährlicher sei aber der Trend zu Verschwörungsmythen. Was diese betrifft, differenziert Heike Egner: „Wer etwas kritisch hinterfragt, wird sehr schnell ins radikale Eck gedrängt. Viele Bürger*innen sind aber einfach nur besorgt über die Grundrechte.“ Egner sieht unsere Gesellschaft derzeit in einer „Angst-Trance“ gefangen: „Ich wünsche mir, dass die Politik davon absieht, Gehorsamkeit durch Angst einzufordern. Angst ist immer ein schlechter Berater.“ Denn generell hätten sich die Menschen als mündige Partner der Politik erwiesen, entgegen aller Annahmen über die „dummen Bürger“. Die Wissenschaftlerin kritisiert, dass der Blick derzeit allein auf Todeszahlen gerichtet sei: „Entscheidend ist vielmehr, wer in fünf bis zehn Jahren am besten durch die Krise gekommen ist: wirtschaftlich, demokratisch und die soziale Ungleichheit betreffend.“ Egner zitiert die Wortschöpfung „Coronialismus“ des israelischen Geografen Oren Yiftachel: die Lebensstrukturen in einem Land ändern sich durch eine eingedrungene, fremde Macht, in diesem Fall durch ein Virus. Die Folgen seien momentan nicht absschätzbar. Man müsse wachsam sein, denn in Zeiten der Krise gebe es immer einen Griff nach Macht und Ressourcen, und das nicht immer zum Wohle der Bürger*innen.

Wie vor autokratischen Tendenzen schützen?

Dass das totalitäre China auf dem Sprung zur führenden Weltmacht ist, macht die Diskutanten nachdenklich. Uniclub-Präsident Horst Peter Groß beobachtet, dass autokratische Länder in der derzeitigen Krise als Vorbild gelten, weil sie kurze Entscheidungswege haben, ohne „störende“ demokratische Prozesse. Dieser vermeintliche Vorteil sei aber höchst gefährlich, meint auch Christof Spörk: „Das chinesische Überwachungssystem ist in der Seuchenbekämpfung großartig, aber eine Katastrophe für die Freiheit.“ Durch die Digitalisierung werde die Überwachung noch zunehmen, warnt Groß. Sie gebe allen Regierenden, aber auch Konzernen die Macht, wie man Menschen steuern kann. Einen Ausweg sehen die Teilnehmer der von Christian Hölbling moderierten Diskussion darin, möglichst viele Menschen in demokratische Entscheidungsprozesse einzubinden. Spörk: „Es muss den Menschen klar gemacht werden, wie Politik funktioniert. Das beginnt auf Gemeindeebene, wo ich die Möglichkeit zur Mitbestimmung haben muss, dann verstehe ich auch, wie die nächsthöhere Ebene funktioniert.“ Auch Horst Peter Groß sieht in dieser praktischen politischen Bildung einen Schutz vor autokratischen Tendenzen. Und die Humangeografin wünscht sich Begegnung auf Augenhöhe, ohne „Social Distancing“. Egner: „Es braucht auf allen Ebenen Politik, die Bürger*nnen als Partner*nnen erkennt. Und es braucht unser aller Selbstermächtigung, damit wir wirksam werden können. Die Corona-Krise gibt uns den Freiraum, durch die eigene Betroffenheit wieder ein politisches Interesse zu entwickeln.“