Das vergangene außergewöhnliche Jahr hat das Warten in einer Weise in den Vordergrund gebracht, das viele zunehmend als unerträglich empfinden. Wir haben so viel gewartet – und tun es noch immer. Da war das Warten auf … das Ende des (ersten, zweiten, dritten …) Lockdowns, … einen Impfstoff, … das Ergebnis eines Tests, … die nächste politische Entscheidung „zur Bewältigung der Krise“, … einen Gerichtsentscheid, … die nächste Möglichkeit einer Begegnung mit anderen Menschen, … das Ende der Kurzarbeit und vieles mehr. Und vielleicht zuletzt: das Warten auf ein Weihnachtswunder, das alles auflöst und uns von dieser unsäglichen Ereignislosigkeit befreit. Auch das trat nicht ein. Aber wer weiß? Wenn wir noch ein wenig warten …

Während wir uns immer weiter einrichten auf das Warten, reduziert sich unser Leben. Die Kreise, in denen wir uns im Außen bewegen (dürfen), sind eng begrenzt und dies noch auf eine unbestimmte Zeit. Das heißt jedoch nicht, dass die Kreise, in denen wir uns gedanklich und mit unserer Verantwortung bewegen, ebenfalls eng begrenzt sind. Die Gedanken sind noch frei – und wir tun gut daran, unsere Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass diese auch frei bleiben. Wir sind weder machtlos irgendwelchen Entscheidungen im Außen ausgeliefert, noch sind wir „Opfer der Umstände“, die uns gerade zu einem weiteren Stillstand zwingen. Wenn wir uns auf das Warten einrichten, ist es schwer, wieder daraus hervor zu kommen – denn mit jedem Ereignis, jeder Entscheidung entsteht ein neues Warten – auf das nächste Ereignis, die nächste Entscheidung und so weiter. So lässt sich sicherlich auch die Lebenszeit verbringen.

Aber: Wenn wir uns auf das Warten einrichten, reduziert sich unser Leben so auf den letzten großen Entscheid: das Warten auf den Tod. Diese Zeit lässt sich besser nutzen. Wir können – ungeachtet äußerer Umstände – dafür Sorge tragen, worüber wir nachdenken, welche Medien wir nutzen und welche Schlüsse wir aus den dort gebotenen Informationen ziehen. Das ist ein erheblicher Freiraum, der vielleicht durch äußeren Stillstand noch größer wird. Denn diese Freiheit benötigt Ruhe, Momente des Innehaltens und Nachdenkens, des Spürens und des Berührenlassens.

Damit bauen wir erhebliche Kapazitäten für die Bewältigung vermeintlicher Ereignislosigkeit auf. Und: Wir arbeiten gleichzeitig an einem Lebensentwurf innerer Freiheit und inneren Friedens. Beides ist unabdingbar für ein gutes gesellschaftliches Miteinander. Sowohl in als auch nach der Krise.

Uns allen ein gutes neues Jahr.

Heike Egner, Geographin, Sozionautin und Vorstandsmitglied des Universitäts.club|Wissenschaftsverein Kärnten

13. Jänner 2021