Die Luftfahrtbranche wurde vom Corona-Lockdown besonders hart getroffen. Doch schon davor herrschten ein erbitterter Verdrängungswettbewerb und ein Preiskampf, der die wirtschaftliche Substanz der meisten Fluglinien gefährdete. Ende 2019 gingen alle „Expert*innen“ noch davon aus, dass der Branche ein gigantisches Wachstum bevorstehe und sich die Flüge innerhalb eines Jahrzehnts weltweit sogar verdoppeln würden. Wachstum war angesagt, eine klimabedingte Beschränkung war nicht einmal angedacht.

Auch wenn die Corona-Infektionen weltweit weiter ansteigen, sind die Prioritäten inzwischen neu gesetzt. Nun geht es um Schadensbegrenzung, um den totalen wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern.

Obwohl in der Corona-Pandemie Fehlentwicklungen besonders offensichtlich wurden, haben „wir“ scheinbar nichts daraus gelernt. Vielmehr geht es darum, schnell das „Davor“ wiederherzustellen. Die Luftfahrtindustrie beispielsweise versucht inzwischen wieder, unbeirrt in ihre alte, umwelt-klimatisch ignorante, nicht-nachhaltige Realität zurückzukehren. Von einem Umdenken keine Rede. Im Gegenteil: Mit einseitigen Wachstums- und Gewinnfokus entbrennt der Verdrängungswettbewerb nun wieder umso brutaler. Dabei scheint jedes Mittel recht zu sein.

So berichten die Medien, dass sich gewisse Fluglinien nicht an geltendes Recht halten. Corona-bedingte Stornierungen hätten etwa zur Folge, dass Ticketpreise rückerstattet werden. Das wird aber vielfach ignoriert. Gewisse Fluglinien nötigen ihre Beschäftigten dazu, Abänderungen ihrer Arbeitsverträge unter dem Kollektivvertrag „freiwillig“ zuzustimmen und Gehaltsreduktionen akzeptieren, die z.T. nur geringfügig über dem Arbeitslosengeld liegen. Die Alternative wäre ein Jobverlust! Gleichzeitig werden wieder Billigflüge um 9,90 EUR angeboten. Zudem wird der Firmensitz aus steuerlichen Gründen in ein anderes EU-Land verlegt. Weiteres Beispiel: Obwohl inzwischen privatisiert, fordern und erhalten Fluglinien Staatshilfe im Millionenbereich. Im Gegenzug lehnen sie jedoch staatliche Beteiligung (wegen der „Einmischung“) empört ab. Die Politik akzeptiert das mit dem Argument der Absicherung des Wirtschaftsstandortes und Arbeitsplatzsicherung …

Ist es uns ernst mit einem nachhaltigen „Wiederaufbau“, dürfen sich Rechtsstaaten nicht derart ausspielen lassen. Gerade weil es notwendig und richtig ist, öffentliches Geld zur Stabilisierung von Wirtschaft und Gesellschaft in die Hand zu nehmen, gilt auch, dass nicht jedes Geschäftsmodell dauerhaft am Leben erhalten wird. Vielleicht sollte das Konzept der kreativen Zerstörung des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter im Sine einer öko-sozialen Transformation und eines „Green New Deals“ neu ausgelegt werden? – Dafür bedarf es nur eines vernünftigen Verstandes!

Horst Peter Groß, Präsident des Universitäts.club|Wissenschaftsverein Kärnten

11. August 2020