Das Leben, das wir kannten, ist vorüber. Nichts wird mehr so sein, wie es vor Sars-CoV-2 war. Davon können wir ausgehen. Der mittlerweile von nahezu allen Nationalstaaten gefahrene Kurs für den Umgang mit dem Coronavirus heißt: Stopp. Stopp aller Aktivitäten, die das Zusammentreffen von Menschen erfordert. Der Preis für den von den Regierungen verordneten Stillstand wird enorm sein.

Bis vor wenigen Wochen hätte noch jeder geglaubt: Das geht nicht. Eine derartige Situation – zudem global – kann nicht hergestellt werden. Auch wenn viele zunehmend das Gefühl hatten, dass es so, wie wir gelebt haben, nicht mehr weitergehen kann. Das Leben zu schnell, zu hoher Ressourcenverbrauch, die Schere zwischen Arm und Reich zu groß und weiter zunehmend, und der Konsum von Produkten, die niemand wirklich braucht, fast ein Zwang. Die Liste ließe sich fortsetzen.

An Ideen für das Leben in einer Postwachstumsgesellschaft (um den Begriff zusammenfassend für ein ganzes Bündel alternativer Gesellschaftsentwürfe zu verwenden) mangelt es nicht. Ganz im Gegenteil. Bezeichnenderweise gab es jedoch eine große Leerstelle: Nämlich, wie der Systemwechsel halbwegs geordnet stattfinden könnte, wie wir also von  Zustand A (unserem Leben bis vor wenigen Wochen) zu Zustand B (nach dem Systemwechsel) gelangen könnten. Vielen war klar: Idealerweise ginge das über einen Stopp – alles auf Null und neu denken. Berechnet hatte das jedoch niemand (zumindest nicht öffentlich zugänglich), obwohl wir mittlerweile doch nahezu alles modellieren, simulieren und dann Szenarien entwerfen. Über diese Forschungslücke habe ich mich schon immer gewundert. Vermutlich war klar, dass die Kosten des Übergangs (auch an Menschenleben) in einer Größenordnung liegen, die jedem den Atem raubt.

Und nun: Sars-CoV-2. Ein kleiner Virus, den niemand von uns sieht, der quietschfidel von Mensch zu Mensch hüpft und bei dem wir Mühe haben festzustellen, wer ihn hat und wer nicht, ermöglicht genau das, von dem wir glaubten, dass es ganz und gar nicht geht. Systemwechsel? Jetzt möglich!

Heike Egner, Ida Pfeiffer Professorin an der Universität Wien und Vorstandsmitglied des Universitäts.club|Wissenschaftsverein Kärnten

08. April 2020