Nachdem das gesellschaftliche Leben in Österreich mit Inkaufnahme unkalkulierbarer zukünftiger wirtschaftlicher Kosten zum 2. Mal heruntergefahren wurde, hat der Bundeskanzler auch Covid-Massentests angekündigt, in der Hoffnung, die Infektionen damit in den Griff zu bekommen.
Gewiss ist: Je mehr Tests, desto mehr positiv Getestete! Aber auch tatsächlich Infizierte? Um sicher zu sein, müsste man davon ausgehen, dass diese Tests reliabel und valide wären, also strengen wissenschaftlichen Kriterien entsprechen, auch die Abwicklungslogistik betreffend.
Leider wird die Sinnhaftigkeit dieser Massentestungen sowohl von wissenschaftlicher wie auch ärztlicher Seite angezweifelt. Zu groß sei die Fehlerquote in der Abwicklung wie auch die zu erwartende Dunkelziffer. Zudem wäre ein einziger Test nur eine Momentaufnahme, die nichts aussage. Dazu bräuchte es mehrere Tests pro Person. Auch wird bezweifelt, ob Massentestungen logistisch überhaupt in notwendig kurzer Zeit abgewickelt und damit Infektionen eingedämmt werden können. Zwei Wochen vor Beginn gibt es dazu noch viele ungeklärte Fragen (z.B. Anzahl der Teststraßen, Laborkapazitäten) und die Verantwortlichen in den Bundesländern, die diese Massentests organisieren sollen, sind angeblich noch völlig unzureichend informiert.
Auch wenn gute Absichten dahinterstecken (es gilt die Unschuldsvermutung), erleben wir eine Ad-hoc-Politik, die aus dem ersten Lockdown offenbar wenig gelernt hat und angesichts ihrer bisher unwirksamen Maßnahmen nur ein Mehr-des-Selben verordnet. Wie hat man sich auf einen zweiten Lockdown vorbereitet? Anstatt weiter zentralistisches Krisenmanagement zu betreiben, warum wird nicht ein offenerer Dialog gesucht, um in dieser außerordentlichen Situation die Zivilgesellschaft wie auch die Opposition einzubinden? Wurde und wird ausreichend alternative wissenschaftliche Expertise gehört? Wurde und wird mit den Expert*innen der Praxis gesprochen, die sich in ihrem Umfeld am besten auskennen und im Detail eher wissen sollten, wie es gehen könnte? Denn sie sind es, die das gesellschaftliche Gefüge „an der Front“ zusammen- und Institutionen und Betriebe aufrechterhalten, somit das Bruttosozialprodukt erwirtschaften und die Steuermittel abliefern, die zur Schadensbegrenzung aufgrund der Lockdowns der Regierung eingesetzt werden, um uns zu beruhigen.
Bleibt nur zu hoffen, dass uns eine Impfung möglichst bald aus diesem Krisen-Chaos erlösen wird.
Horst Peter Groß, Präsident des Universitäts.club|Wissenschaftsverein Kärnten
25. November 2020