Am 7. Dezember 2020 wurde in Österreich der zweite Lockdown wieder gelockert. Was erlaubt und was weiterhin verboten wurde, entzieht sich im Detail der rationalen Nachvollziehbarkeit, womit Unverständnis und persönlich empfundene Ungerechtigkeit unvermeidlich, ja vorprogrammiert sind. Die einen fühlen sich aufgrund der Öffnung bedroht und fordern mehr Schutz, die anderen sind in ihrer Bewegungsfreiheit zu sehr beeinträchtigt und hätten gerne eine weitergehende Öffnung. Alle aber wollen möglichst schnell wieder in die „alte Normalität“ zurück, die es in der erhofften Weise jedoch nicht mehr geben wird.

Mit der vorweihnachtlichen Öffnung der Geschäfte wurde jedenfalls ein Kompromiss versucht, um sowohl dem Handel als auch den Bedürfnissen der Konsumenten entgegen zu kommen.

Doch was wir in den Fußgängerzonen und Einkaufszentren beobachten, ist erschreckend. Vermummte Gesichter, Menschen, die ängstlich voneinander Abstand halten und sich nicht mehr ansehen. Staatlich verordnet, in Zeiten einer Pandemie auch grundsätzlich vernünftig – und gleichzeitig verstörend! Kein erkennbares Lächeln in den Gesichtern, keine glänzenden Augen, keine weihnachtliche Vorfreude. Verhärmt und hektisch wird gekauft, auch, um endlich wieder einmal den eigenen vier Wänden und der zunehmend schwerer zu ertragenden Isolation zu entkommen. Einkaufen statt verzweifeln!

Doch die Politik der Angst und diese neue gesellschaftliche Praxis der Distanz könnte sich auf die Basis unseres Miteinanders auswirken: die Empathie. Um erkennen zu können, wie es um den anderen bestellt ist, brauchen wir das Gegenüber, brauchen wir Gesichtszüge, Nähe und direkten persönlichen Kontakt. Das betrifft uns alle, aber besonders unsere Kinder und Jugendlichen, die sozialisiert werden, möglichst Abstand zu halten, weil ihr Gegenüber eine potenzielle (Ansteckungs-)Gefahr darstellt. Es ist zu befürchten, dass unsere Welt sozial kälter wird und das Gemeinschaftsgefühl noch weiter verloren gehen wird.

Horst Peter Groß, Präsident des Universitäts.club|Wissenschaftsverein Kärnten

11. Dezember 2020