Kunst|Wissenschaft|Gesellschaft – 15. Oktober 2011
„Ein optimistischer Blick auf den Pessimismus“
19:00 Uhr I Parkhotel Villach „Bambergsaal“
Die Vortragenden:
Konrad Paul LIESSMANN „Der falsche Superlativ. Warum die Pessimisten die wahren Optimisten sind“
Philosophisch und wörtlich genommen leben wir in einer verkehrten Welt. In dieser gilt der Optimist als jemand, der an die Verbesserung der Welt glaubt, während der Pessimist fürchtet, dass sich immer alles zum Schlechteren wendet. Im Optimisten und Pessimisten aber stecken Superlative. Der Optimist – und niemand hat dies genauer durchdacht als Leibniz – ist jemand, der überzeugt davon ist, in der besten aller möglichen Welten zu leben. Das Beste aber ist nicht überbietbar. Der wahre Optimist kann deshalb auch keine Veränderung wollen, denn das könnte nur den Verlust des Optimum bedeuten. Der Pessimist hingegen – und niemand hat dies eindrucksvoller formuliert als Arthur Schopenhauer – ist überzeugt davon, in der schlechtesten aller nur denkbaren Welten zu leben. Nur aus dieser Perspektive allerdings ergäbe sich die Option eines wirklich verändernden Handelns: Aus der schlechtesten aller Welten lässt sich vielleicht eines Tages eine nicht ganz so schlechte machen. Dass im alltäglichen Gebrauch diese Begriffe gegen ihren Sinn verwendet werden, lässt tief schließen. Zu vermuten ist, dass die bekennenden Optimisten allerdings genau diejenigen sind, die tatsächlich kein Interesse an der Veränderung der Welt haben. Aus ihrer Sicht ist alles gut und sie finden es im Prinzip in Ordnung, wenn alles weitergeht wie bisher: mit den Märkten, mit der Technik, mit den sozialen Verhältnissen, mit dem Klima. Umgekehrt kann deshalb gefolgert werden, dass nur die Pessimisten jene Kraft entwickeln können, tatsächlich Neues zu gestalten. Die Wurzel des Schöpferischen liegt nicht im blinden Glauben an eine Zukunft, die keiner kennt und die deshalb als Fortsetzung der Gegenwart mit anderen Mitteln gedacht wird, sondern in der Kraft, die aus der Verzweiflung über den Weltzustand erwächst.
Univ. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann
geb. 1953, ist Professor für Philosophie an der Universität Wien und Vizedekan der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien sowie wissenschaftlicher Leiter des „Philosophicum Lech“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Ästhetik und Kulturphilosophie sowie in der Gesellschafts- und Bildungstheorie. Zuletzt sind unter anderem erschienen: Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft (2006); Ästhetische Empfindungen (2008); Schönheit (2009); Das Universum der Dinge. Zur Ästhetik des Alltäglichen (2010)
Bazon BROCK „Anthropologie des apokalyptischen Denkens. Begründungen für eine optimistische sicht auf die Zukunft“
Die einzige haltbare Begründung von Hoffnung ist als apokalyptisches Denken durch die Evolution dem Menschen anerzogen worden. Das heißt, wenn vor 35.000 Jahren ein Clan in seiner Höhle saß, hatten die 15- bis 25-jährigen männlichen Führer der Truppe nur eine einzige Chance, mit Lebensmitteln zurückzukommen zu den Frauen und Kindern, die auf sie warteten, wenn sie alles, was ihnen außerhalb der Höhle passieren konnte, minutiös antizipierten. Grundlegend war und ist die Fähigkeit, das Ende zu antizipieren, um in der Gewissheit dessen, was alles möglich ist, tatsächlich darauf vorbereitet zu sein, dem drohenden katastrophalen Schicksal zu entgehen – das ist apokalyptisches Denken.
Apokalyptisches Denken ist, weit jenseits dessen, was leider auch in den Kirchen erzählt wird, gerade nicht die Unterwerfung unter die Katastrophendrohungen, sondern, wie Augustin sagte, ist dieses Denken notwendig, damit wir die Kraft des Beginnens entwickeln können: initium ut esset homo creatus. In der Evolution ist alles logische Zwangsfolge. Die menschliche Interventionsfähigkeit besteht darin, immer erneut den Anfang zu setzen. Oder, wie Luther sagte, wenn morgen die Welt untergeht (und das muss ich wissen wollen), dann habe ich die Kraft, heute einen Apfelbaum zu pflanzen.
Bazon Brock
ist emeritierter Professor am Lehrstuhl für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Bergischen Universität Wuppertal. Weitere Professuren an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (1965–1976) und der Universität für angewandte Kunst, Wien (1977–1980). 1992 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Eidgenössisch Technischen Hochschule, Zürich. Er entwickelte die Methode des »Action Teaching«, bei dem der Seminarraum zur Bühne für Selbst- und Fremdinszenierungen wird. Von 1968 bis 1992 hat er die documenta-Besucherschulen ins Leben gerufen. Seit 2010 leitet er gemeinsam mit Peter Sloterdijk das Studienangebot „Der professionalisierte Bürger“ an der HfG Karlsruhe. Rund 2000 Veranstaltungen und Aktionslehrstücke; zuletzt „Lustmarsch durchs Theoriegelände“ (2006, in elf Museen). Er repräsentiert das Institut für theoretische Kunst, Universalpoesie und Prognostik, und ist Gründer der Gesellung für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand.