Vom Kopf zur Hand
…und dazwischen eine ganze Welt.
Vortragsreihe und Ausstellung zum 100-jährigen Jubiläum des Künstlerhauses Klagenfurt
18. Oktober I 20. und 21. November 2014
Bambergsaal Parkhotel Villach / Künstlerhaus Klagenfurt
Organisiert und präsentiert im Rahmen von
„Kunst.Wissenschaft.Gesellschaft – Quer denken“
des Universitäts.club I Wissenschaftsverein Kärnten in Kooperation mit Irmgard Bohunovsky , dem Kunstverein Kärnten und der Stadt Villach
Hände sind Instrumente, sie werden vom Kopf gespielt. „Das alte Griechenland besang jene, die Kopf und Hand miteinander verbanden, als Zivilisationsstifter“. In unserer industriellen bzw. virtuellen Gesellschaft scheint die Hand nur mehr eine marginale Rolle zu spielen. Künstler freilich legen noch weitgehend selbst Hand an, selbst Architekten werden zuerst zeichnen, ehe ein Bau von anderen errichtet wird. Wie spielen Hirn und Hand zusammen? Eingeschränkte finanzielle Unterstützungen infolge von Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand werden uns zunehmend dazu zwingen, über alle (Vereins)Grenzen hinweg zu kooperieren. Für dieses Projekt reichen verschiedene Teilnehmer einander die Hand, nicht virtuell, sondern ganz real, um herauszuarbeiten, was nicht von der Hand zu weisen ist: dass es zum Vorteil aller sein wird.
Irmgard Bohunovsky
Auftakt: Samstag den 18. Oktober 2014, 19:00 Uhr im Bambergsaal/Parkhotel Villach
Konrad Paul Liessmann: TAUSEND HÄNDE – Über Fingerfertigkeiten aller Art
In der Evolution des Menschen spielt die Hand eine herausragende Rolle. Der aufrechte Gang ermöglichte die Entwicklung der vorderen Gliedmaßen zu einer Greifhand, die nun vielfältige Aufgaben übernehmen konnte: Vom Gebrauch von Werkzeugen bis zu deren Herstellung, von neuen Formen der Kommunikation bis zur Erzeugung von Kunst, von der virtuosen Beherrschung eines Instruments bis zur Präzision eines Mechanikers, von Zärtlichkeiten unterschiedlicher Intensität bis zur gewaltsamen Tötung von Tier und Mensch: alles war Handarbeit. Gleichzeitig stand die Hand von Anfang an in einem Spannungsfeld zum Kopf, auch wenn oder gerade weil sich Bewusstsein, Sprache, Geist und Reflexionsvermögen wahrscheinlich ohne die Möglichkeiten der Hand so nicht entwickelt hätten. Aber der Kopf will die Hand depotenzieren, zurückdrängen, überflüssig machen. Zuerst kommandiert der Kopf die Hand, Handarbeit wird damit ab-, Kopfarbeit aufgewertet, dann wird die Hand selbst in ihren Möglichkeiten reduziert: unzählige technische Geräte verbessern und ersetzen den Spielraum der Hand, und heute geht es bekanntlich um Bildung, nicht um Geschicklichkeit, die Arbeit der Zukunft ist Wissensarbeit ohne Hände, und die technische Utopie unserer Tage besteht darin, unsere Geräte hands-free durch gesprochene Befehle zu kommandieren: Telefonieren, Autofahren, im Internet Surfen, Schreiben, Behandeln, Operieren, Krieg führen: dazu braucht man heute keine Hände mehr. Was bedeutet diese Entwicklung für unsere zunehmend funktionslos gewordenen Hände? Was bedeutet dies aber für unseren Kopf, der sich alles denken, aber nichts mehr mit eigener Hand tun kann?
Wolfgang Ullrich – „VOM KOPF ZUR HAND – UND ZURÜCK!“
In der Geschichte der abendländischen Kunst wurden Künstler über Jahrhunderte vor allem nach ihrer Fähigkeit zu ‚disegno‘ bewertet. Eine gute Bildidee war wichtiger als deren handwerkliche Umsetzung, ja Kunst fand nach allgemeiner Vorstellung zuerst und vor allem im Kopf statt. Erst in der Moderne ändert sich dies. Von Künstlern wurde nun erwartet, authentisch zu sein und ihre Empfindungen unmittelbar zum Ausdruck zu bringen. Damit erhielt die Hand eine viel wichtigere Funktion, in ihr artikulierten sich die künstlerische Intention und der individuelle Stil. Seit wenigen Jahrzehnten jedoch ist eine Rückkehr zum früheren Vorrang des Kopfes zu beobachten. Viele Künstler entwickeln vor allem Konzepte, sie verzichten darauf, bei der Realisierung von Werken selbst Hand anzulegen, sondern delegieren die Ausführung an Fachkräfte. War die Moderne mit dem Primat der Hand vielleicht nur eine kurze Ausnahme innerhalb der Geschichte der Kunst?