Der Universitäts.club|Wissenschaftsverein Kärnten und der Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten laden – in Kooperation mit der Stadt Villach KULTUR und freundlicher Unterstützung der KELAG Kärnten – am 25. April 2016 um 19:00 Uhr zur gemeinsamen Veranstaltung aus der Reihe Mensch & Natur in den Bambergsaal ins Parkhotel Villach.

Christian SCHWÄGERL:  Gibt es ein gutes Anthropozän?

„News can’t get any bigger than that.“ So beschrieb eine englische Zeitung den Vorschlag, eine neue Erdepoche namens Anthropozän auszurufen. Dass der Mensch nicht nur an der Erdoberfläche kratzt und sein Tun nicht nach kurzer erdgeschichtlicher Zeit wieder verschwinden wird, gehört zu den grundlegenden Einsichten der neueren Erdsystemforschung. Mensch macht Natur, global, mit Wucht und langfristig – das ist die Prämisse der vom Chemie-Nobelpreisträger Paul J. Crutzen geprägten Anthropozän-Idee. Doch ist die Anthropozän-Idee nur die Summe aller Umweltprobleme? Ist sie Synonym für die drohende ökologische Apokalypse, die Selbstzerstörung der Zivilisation in einem Strudel von Konsum, Krieg und Klimakatastrophen? Oder steckt mehr in dieser Hypothese? Kann die Anthropozän-Idee uns vielleicht dabei helfen, unsere Rolle als Menschen in und auf der Erde besser zu verstehen und verantwortungsbewusster auszuüben?

Arno BAMMÈ: Der Mensch und die Erde. Ein gestörtes Verhältnis!?

In der Geschichte der Menschheit gab es immer wieder Knotenpunkte, Verdichtungen, Weggabelungen, die über Untergang oder Weiterentwicklung einer Bevölkerung, einer Ethnie entschieden haben. Die „neolithische Revolution“, die vor etwa 4000 Jahren ihren Abschluss fand, bezeichnet einen solchen Knotenpunkt. In ihr erfolgte der Übergang vom Sammler- und Jägerdasein zum Ackerbau und zur Viehzucht. Es war der erste große Atemzug der Weltgeschichte. Der Begriff der „Achsenzeit“ bezeichnet einen zweiten solchen Knotenpunkt. Er umfasst jenen Zeitraum zwischen 800 und 200 vor unserer Zeitrechnung, in dem im Bereich der Ideen und ihrer institutionellen Basis eine kulturelle Revolution stattfand, die zu einer weitreichenden Umgestaltung der Gesellschaftsordnungen und ihrer inneren Beziehungen führte. Diese Umwälzungen ereigneten sich in mehreren Kulturräumen gleichzeitig, aber weitgehend unabhängig voneinander. Sie kulminierten schließlich in einer veränderten Dynamik gesellschaftlicher Entwicklungen und eröffneten die Möglichkeit einer Weltgeschichte. Das zentrale Merkmal der Achsenzeit, über alle Kulturen hinweg, besteht darin, dass in ihr eine scharfe Trennung zwischen irdischer und überirdischer Welt vollzogen wurde und dass, damit verbunden, ein Reflexionsprozess in Gang gesetzt wurde, im Verlauf dessen ein „Denken zweiter Ordnung“ entstand und ein Bild des Menschen, der sich, seiner selbst und seiner Grenzen bewusst, einer von ihm getrennten Objektwelt gegenübergestellt sieht. Eine dieser Kulturen wird dominant und drückt der Welt ihren Stempel auf: die abendländische…
Die Zukunft ist offen. Wir können sie zwar gestalten, aber wir können sie nicht voraussagen. Möglich ist hingegen, Szenarien zu entwerfen, um zu schauen, was passiert, wenn zentrale Einflussgrößen, die in der gegenwärtigen Problemkonstellation eine maßgebliche Rolle spielen , in die Zukunft verlängert werden. Aus den unerwünschten Folgen, die sich dabei offenbaren, lassen sich dann Gegenstrategien zu ihrer Verhinderung bzw. Überwindung ableiten.

© Schulzendorff

Christian Schwägerl, Jahrgang 1968, ist freier Journalist, Buchautor und Biologe. Er schreibt für GEO, das Magazin ZEIT Wissen, Cicero, die FAZ und andere Medien. Zuvor war er langjähriger Feuilleton- und Wissenschaftskorrespondent der FAZ und Politikkorrespondent des SPIEGEL. Sein Buch „Menschenzeit“ (Riemann-Verlag, 2010) hat zum „Anthropozän-Projekt“ von Haus der Kulturen der Welt Berlin (HKW), Max-Planck-Gesellschaft, Deutschem Museum und Institute for Advanced Sustainability Studies geführt, das er von 2012 bis 2014 mitgeleitet hat. Ebenso hat das Buch zum Entstehen der Sonderausstellung „Willkommen im Anthropozän“ am Deutschen Museum München geführt, die Schwägerl mitkuratiert hat und die noch bis September 2016 läuft. Weitere Bücher von Christian Schwägerl sind „11 drohende Kriege“ (2012) und „Die analoge Revolution“ (2014). Seit 2014 leitet Schwägerl die Masterclass „Zukunft des Wissenschaftsjournalismus“ von Bosch-Stiftung und Reporter-Forum. Er hat u.a. den Holtzbrinck-Preis für Wissenschaftsjournalismus 2008 und das Kellen-Fellowship 2015 des American Council on Germany erhalten. Seine Freizeit verbringt er gerne in der Natur mit Vogelbeobachtung. Weitere Infos unter www.christianschwaegerl.com.

Arno Bammé, Jahrgang 1944, Studium der Ökonomie, Pädagogik und Soziologie an der Freien Universität Berlin (GFG-Stipendiat), mehrjährige Tätigkeit in der Industrie, Forschungsstipendiat der Max-Traeger-Stiftung (Frankfurt am Main) 1977-1979, wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Universität Berlin, beteiligt am Aufbau des Alternativbetriebes Ökotopia GmbH im Berliner Mehringhof, in dem sozial depravierte Jugendliche eine Berufsausbildung erhielten und der alternative Bewirtschaftungsformen von Produktionsgenossenschaften in der Dritten Welt unterstützte, Beteiligung am Aufbau des interdisziplinär arbeitenden Technik- und Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituts in Berlin (TESOF), wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg (DFG-Projekt), seit 1985 Ordentlicher Universitätsprofessor für die Didaktik der Weiterbildung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und vieles mehr. Arbeitsschwerpunkte: Technik- und Wissenschaftsforschung, Literatur und Soziologie, Didaktik der Sozialwissenschaften, Didaktik wissenschaftlicher Weiterbildung, Edition der Ferdinand-Tönnies-Werkausgabe, Leitung der Ferdinand-Tönnies-Arbeitsstelle an der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt. Zahlreiche Veröffentlichungen, u. A. „Homo occidentalis. Von der Anschauung zur Bemächtigung der Welt. Zäsuren abendländischer Epistemologie.“