Wissen schafft Kultur – 20.10.2009 I 10.11.2009 I 10.12.2009 I 21.01.2010
Vorlesungsprogramm 3. Semester 2009/2010
WSK 9 – Christine Bauer-Jelinek
Dienstag, 20. Oktober 2009
„Die helle und die dunkle Seite der Macht. Konfliktkultur in Politik und Wirtschaft“
Soll ein Staat wie ein Unternehmen agieren? Sind betriebswirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten, also Kosten-Nutzen-Rechnungen in allen Bereichen
der Gesellschaft relevant? Welche Mittel der Durchsetzung von Interessen und Normen haben wir in den Demokratien mit neoliberalem Wirtschaftssystem?
Werte und Spielregeln haben sich in den letzten 20 Jahren grundlegend geändert. Anstelle des »Wettbewerbs, der die Sinne belebt«, gilt der Satz: »In der Wirtschaft herrscht Krieg«. Es gibt feindliche Übernahmen, ein Rennen um die besten Köpfe und einen immer härter werdenden Konkurrenzkampf am Arbeitsmarkt. Der Wettbewerb ist zur Überlebensfrage geworden. Führungspersonen in Politik und Wirtschaft können diese Abläufe jedoch nicht mehr zentral und von oben nach unten steuern. Die Komplexität der Strukturen und der rasante Wandel durch ständige Reorganisationen machen den Überblick nahezu unmöglich. Vielmehr scheint besonders im mittleren Management jeder auf sich allein gestellt zu sein. Die Rahmenbedingungen einer radikalisierten Wirtschaft fördern Einzelkämpfer und egoistische Motive, weil das System außer Karriere und Geld keinen übergeordneten Sinn mehr vermitteln kann. Der Einzelne ist gezwungen, in diesem Dilemma eigenständige Entscheidungen zu treffen und braucht dafür neue Kulturtechniken wie: sich in einem Wertepluralismus orientieren, Systemregeln rasch erkennen und Ziele macht-kompetent auch gegen Widerstände durchsetzen zu können.
Christine Bauer-Jelinek
Wirtschaftscoach und Psychotherapeutin; Leiterin des Instituts für Macht-Kompetenz, Wien; Sachbuchautorin; Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der L. Kohr-Akademie, Salzburg; Ordentliches Mitglied des Club of Vienna; Vorsitzende von Netzwerk.Macht. Forschung; Gründerin der »Initiative für Mikro-UnternehmerInnen«; Lehrbeauftragte an der Wirtschaftuniversität, Wien; Arbeitsschwerpunkte: Mechanismen der Macht und deren Gender-Aspekte auf den Schauplätzen der Gesellschaft, Wertewandel und »Autonome Ethik«, Die Macht der Kleinen: ökosoziale UnternehmerInnen als Wertegemeinschaft.
Publikationen
2009: »Die helle und die dunkle Seite der Macht. Wie Sie Ihre Ziele erreichen ohne Ihre Werte zu verraten«, Salzburg
2007: Die geheimen Spielregeln der Macht und die Illusionen der Gutmenschen«, Salzburg (Jahresbestseller)
2003: »Business-Krieger. Überleben in Zeiten der Globalisierung«, Wien, München
WSK 10 – Alfred Gusenbauer
Dienstag, 10. November 2009, Vorlesung im HS B, 19:00 Uhr
„Fortschritt ohne Bildung? Reflexionen zur Krisenkultur auf beiden Seiten des Atlantiks“
Thematisiert und reflektiert werden die kulturellen Unterschiede dies- und jenseits des Atlantiks im Umgang mit der aktuellen Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung. So verläuft in den USA der Umgang mit der Krise im Vergleich zu Europa pragmatischer und zuversichtlicher und weniger ideologisch. Dort wird die Energie einer Gesellschaft spürbar gemacht, dass alles getan wird, um die Krise zu überwinden. Dazu gehören auch enorme Investitionen in das Schulsystem, in die Forschung und die Infrastruktur sowie in erneuerbare Energie. Während Amerikaner keine Angst vor einem Neubeginn zu haben scheinen und bereit sind, schnelle und mutige Schritte zu setzen (“Yes we can”), werden insbesondere langfristig notwendige Investitionen in die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Kultur in Österreich und insgesamt in Europa in der politischen Praxis bildungsideologisch zerredet. Obwohl diese Investitionen prinzipiell als notwendig erkannt sind, bleiben die Bereiche finanziell unterdotiert und in ihrer Bedeutung für die Zukunft offensichtlich unterschätzt. Kann dieser kulturelle Unterschied darüber entscheiden, dass die USA es als Erste und besser schaffen werde, die Krise zu überwinden?
Alfred Gusenbauer
1960 geboren in St. Pölten, studierte Rechtswissenschaften, Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft an der Universität Wien (Promotion 1987). Gusenbauer war von 1991–2007 Mitglied des Österreichischen Parlaments, von 2000–2008 Präsident der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 1991–2007, Bundeskanzler der Republik Österreich von Jänner 2007 bis Dezember 2008. Gusenbauer war Leiter der Europa-politischen Abteilung der Arbeiterkammer NÖ; aktuell ist er Vizepräsident der Sozialistischen Partei Europas (PES) und der Sozialistischen Internationale (SI). Nach seiner politischen Karriere gründete er eine Consulting Firma, die mehrere Konzerne in Zentral- und Osteuropa, Lateinamerika und im Mittleren Osten betreut. Gusenbauer lehrt Internationale und Europäische Politik an der Brown University in Providence (RI|USA) und als erster James Leitner Fellow an der Columbia University in New York City (NYC|USA).
Publikation
2009: »Die Wege entstehen im Gehen«. Alfred Gusenbauer im Gespräch mit Katharina I Krawagna-Pfeifer und Armin Thurnher, Wien
WSK 11 – Oskar Negt
Donnerstag, 10. Dezember 2009
„Was ist Kultur im sozialen Sinne? Über Verantwortung und politische Maßverhältnisse“
Zerstörte gesellschaftliche Maßverhältnisse dokumentieren den Zeitgeist. Angesichts überquellender Reichtumsproduktion wachsen die Armutsstrukturen spektakulär. Jedes fünfte Kind in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, wächst unter Armutsbedingungen auf. Seit den Zeiten vor der großen Französischen Revolution von 1789 hat sich gesellschaftlicher Reichtum nie in so wenigen Händen konzentriert. Die Schamlosigkeit von Wirtschaftseliten und verantwortungslosen Managern signalisiert eine viel tiefere Krise der Gesellschaft, als dies in der Öffentlichkeit bisher sichtbar ist. Aber die Skandalisierung dieser Verhältnisse reicht für Auswege aus der Krise nicht aus. Oskar Negt thematisiert in seinem Vortrag das strukturelle Verhältnis zwischen Ökonomie und Kultur und stellt dabei die zentrale Frage nach der Verantwortung für ein gewaltfreies und friedensfähiges Gemeinwesen.
Oskar Negt
1934 in Ostpreußen geboren. Studium der Philosophie und Soziologie in Frankfurt am Main bei Horkheimer und Adorno.
1971 Berufung auf den Lehrstuhl für Sozialwissenschaften der Universität Hannover.
1972 Gründung der Glockseeschule.
2002 Emeritierung, Gastprofessuren in Wien, Madison und Milwaukee (USA). Ehrendoktor der Universität Roskilde (Kopenhagen) und Magdeburg.
2009 Bruno-Kreisky-Sonderpreis für das publizistische Gesamtwerk (gemeinsam mit Alexander Kluge)
Publikationen
2010: »Der politische Mensch – Demokratie als Lebensform«
2006: »Die Faustkarriere«
2001: »Arbeit und menschliche Würde«
WSK 12 – Birgit Mahnkopf
Donnerstag, 21. Jänner 2010
„Europa gegen den Rest der Welt. Konkurrenzfähigkeit als europäisches Zukunftsprojekt“
Ein europäisches Gesellschaftsmodell, das die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit ins Zentrum rückt, deckt sich nicht mit den Erwartungen, die viele Bürgerinnen und Bürger mit einer größer gewordenen Europäischen Union verbinden und mit deren zukünftiger Rolle in einer multipolaren Weltordnung.
Wie attraktiv wäre eine EU für ihre Bürgerinnen und Bürger wenn sie in Angelegenheiten wie Handel, Investition und Migration, nur ihre Eigeninteressen gegen den »Rest der Welt« durchzusetzen versuchte? Und wie würde die EU von den Menschen in anderen Weltregionen wahrgenommen werden, wenn sie den Ländern, über die sie Einfluss ausübt, das Recht auf ökonomische Expansion, menschliche Entwicklung und ökologische Integrität streitig machte? Liegt die Zukunft Europas darin, zu einer Weltmacht zu werden, die sich zu ihren geopolitischen Interessen bekennt und diese in den absehbar scharfen Konflikten der näheren Zukunft auch mit den Mitteln militärischer Intervention durchzusetzen versucht? Die einseitige Festlegung auf nur eine der möglichen Zukünfte der EU – die der wettbewerbsfähigsten Region in der globalisierten Welt –, fordert die Kritik heraus. So kann europäische Identität nicht entstehen; denn diese erwächst nicht aus einem ideengeschichtlichen, abendländisch geprägten kulturellen Urgrund, sondern vor allem aus der Lebenspraxis, aus der gegenwärtigen Erfahrung in der Arbeits- und Lebenswelt der Menschen in Europa.
Birgit Mahnkopf
1950 geboren in Berlin. Studium, Promotion und Habilitation im Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften der FU Berlin. 1977–1982 Wissenschaftliche Assistentin an der FU Berlin (Soziologie) 1984–1992 Forschungstätigkeit an der Sozialforschungsstelle Dortmund und am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB) Berlin. 1992–1994 Lehrstuhlvertretung (Soziologie) an der TU Darmstadt. Seit 1994 Professorin für Europäische Gesellschaftspolitik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin; Geschäftsführerin des Institute for International Political Economy (IPE) Berlin; Mitglied der Wissenschaftlichen Beiräte von Attac Deutschland und der Deutschen Stiftung Friedensforschung.
Publikationen
2007: »Konkurrenz für das Empire. Die Zukunft der Europäischen Union in der globalisierten Welt«, (gemeinsam mit Elmar Altvater)
»Die Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft«, (gemeinsam mit Elmar Altvater), 7. Auflage.
2003: »Globale öffentliche Güter – für menschliche Sicherheit und Frieden«
2002: »Globalisierung der Unsicherheit. Arbeit im Schatten, schmutziges Geld und informelle Politik«, (gemeinsam mit Elmar Altvater)
Die Vorträge finden im Stiftungssaal im neuen Servicegebäude am Campus der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt jeweils um 19.00 Uhr statt.
VORLESUNG 10 von Dr. Gusenbauer findet im HS B statt.
Der Eintritt zu den Vorträgen ist frei – wir bitten Sie jedoch um Ihre Anmeldung:
Web: http://www.wsk.or.at/
E-Mail: info@wsk.or.at
Telefon: (0463) 228822-0
Fax: (0463) 228822-10