Wissen schafft Kultur – 28.10.2008 I 25.11.2008 I 02.12.2008 I 22.01.2009

Vorlesungsreihe 2. Semester Winter 2008|09

WSK 05 – Walther Christoph Zimmerli

Dienstag, 28. Oktober 2008, 19:00 Uhr, Hörsaal B

„Technologie als Kultur. Unterwegs zur zweiten Dialektik der Aufklärung“

Irrtümlicherweise ging die Postmoderne davon aus, dass der Logozentrismus der westlichen Welt und insbesondere der Moderne durch die »Dialektik der  Aufklärung« (Horkheimer|Adorno) intern kritisiert und extern durch Multikulturalität überwunden werde. Bereits das Konzept einer zweiten, »reflexiven Moderne« (U. Beck) deutet allerdings etwas Anderes an: dass wir das »Projekt der Moderne« (Habermas) nur mit Hilfe einer Selbstanwendung der Moderne erfüllen können. Eine Rückbesinnung auf die Wurzeln des Logozentrismus, auf den »sokratischen Menschen« (Nietzsche) zeigt den Weg hierfür an: Es geht um die Wiederentdeckung der kreativen Bedeutung des Nichtwissens und damit um die Rehabilitierung der Technologie als Kultur.
Die klassische Theorie der Dialektik der Aufklärung wird so um ihre Kehrseite ergänzt, nämlich um die Theorie der zweiten technologischen Aufklärungsdialektik.

Walther Christoph Zimmerli,1945 geboren. Studium am Yale College(Connecticut) sowie an den UniversitätenGöttingen und Zürich.1971 Promotion,1978 Habilitation in Philosophie in Zürich. Seit 1978 bis heute Lehrstühle an den Universitäten Braunschweig, Bamberg, Erlangen|Nürnberg und Marburg (beurlaubt). 1999 bis 2002 Präsident der Privatuniversität Witten Herdecke. 2002 bis 2007 Gründungspräsident der AutoUni und Management im Volkswagen-Konzern. Gastprofessuren in den USA, Australien, Japan und Südafrika. Seit 2003 Honorarprofessor an der Technischen Universität Braunschweig. Seit 2007 Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. 1996 Internationaler Humboldt Forschungspreis. 2002 Ehrendoktorat der Universität Stellenbosch (Südafrika).

Publikationen: 2005: Technologie als »Kultur«, 2. überarbeitete Auflage. 2006: Erinnerungsmanagement – Systemtransformation und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich. Spurwechsel – Wirtschaft weiter denken. Die Zukunft denkt anders –Wege aus dem Bildungsnotstand. 2007: Corporate Ethics and Corporate Governance

WSK 06 – Hans Ottomeyer

Dienstag 25. November 2008, 19:00 Uhr, Hörsaal B

„Die Erfindung der Nation. Eine europäische Geschichte“

Vor 1500 verstanden sich die europäischen Nationen im Wesentlichen als Zusammenschluss von Stämmen, »nationes«, die durch eine gemeinsame Sprache miteinander verbunden waren. Die Herrscher führten ihre Herkunft auf Karl den Grossen zurück, aber sie verstanden sich in der Nachfolge der Trojaner und Julier auch als Erben Roms. Mit Caesars Text über den gallischen Krieg (De bello gallico) formte sich ein Bild von den Galliern, das die späteren Franzosen auf sich bezogen und mit der Wiederentdeckung von Tacitus’ Text Germania – die editio princeps erfolgte 1472 in Bologna – entstand die Vorstellung eines gemeinsamen Stammvaters, einer gemeinsamen Herkunft und einer eigenen Deutschen Nation mitten in Europa, abgegrenzt von Rom und den ‚Welschen’. Das monolithische Geschichtsbild, das teils bei den antiken Autoren vorgeprägt, stärker aber noch mit deren Rezeption ab dem späten 15. Jahrhundert entworfen wurde, beruht auf einer Reihe falscher Annahmen von Einheitlichkeit und Abgrenzung. Es bildete die Basis für eine wachsende Überzeugung von einer Identität von Volk, Nation, Staat und schließlich Nationalstaat, der sich in totalitärer Weise auf eine Einheit von ›Rasse‹ und Staat begründete. Die Dekonstruktion des Mythos der Nation kann ein wesentlich anderes, pluralistischeres Geschichtsbild herausstellen, das multiethnische Ursprünge, umfassende Kulturimporte und europäische Kontexte besser erfasst.

Hans Ottomeyer: 1946 geboren in Detmold|NRW. 1967 bis 1976 Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Deutschen Literaturwissenschaft in Freiburg, Berlin, London, München und Paris. 1976 Doktorat an der Universität München. 1978 bis 1983 Ausstellungskurator im Haus der Bayerischen Geschichte in München. 1983 bis 1995 Konservator am Münchner Stadtmuseum. 1995 bis 2000 Direktor der Staatlichen Museen Kassel. Seit 2000 Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums Berlin und Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Ausstellungen & Publikationen
1996: Die Kunst zu werben. 1998: Katharina die Große. 1999: Geburt der Zeit – Eine Geschichte ihrer Vorstellungen und Bilder. 2002: Die zweite Schöpfung – Bilder der industriellen Welt. Die öffentliche Tafel – Tafelzeremoniell in Europa 1300–1900. 2006: Deutsche Geschichte in Bildern und Zeugnissen aus zwei Jahrtausenden, Ständige Ausstellung des Deutschen Historischen Museums. Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962 bis 1806. 2007: Die Erfindung der Einfachheit – Biedermeier. 2008: Gründerzeit. 1848–1871. Industrie und Lebensträume zwischen Vormärz und Kaiserreich.

WSK 07 – Stefan Klein

„Da Vincis Vermächtnis. Wie Leonardo die Welt neu erfand“

Dienstag 2. Dezember 2008, 19:00 Uhr, Hörsaal BLeonardo da Vinci (1452–1519) war der erste moderne Mensch. Er entwarf funktionsfähige Roboter, digitale Computer und baute die erste Herzklappe. Heute  verehren wir Leonardo als Maler, der die Kunst der Renaissance revolutionierte. Doch seine Zeitgenossen lobten und umwarben den Forscher in ihm, der mit seinen bahnbrechenden Entdeckungen eine Zeitenwende einläutete. Neue Erkenntnisse über Leonardos Handschriften ermöglichen es, diesem vergessenen Vermächtnis näherzukommen. Sie werfen zudem Licht auf das Geheimnis der Mona Lisa, machen
Leonardos Faszination für Wasser verständlich und geben seinem Traum vom Fliegen eine bislang übersehene Bedeutung: Die mehr als 6000 erhaltenen Manuskriptseiten zeigen Leonardo als einen Forscher, der ein neues, von Empirie getragenes Denken entwickelte. Und doch war Leonardo, der Wegbereiter der modernen Wissenschaft, ein Wissenschaftler im heutigen Sinne. Denn seine größten Erfolge erzielte er nicht durch Spezialisierung, sondern indem er es verstand, unterschiedlichste Wissensgebiete auf nie dagewesene Weise miteinander zu verknüpfen. Gerade dieser Gegensatz macht es so lohnend, von Leonardo zu lernen — als dringend
benötigte Ergänzung zu unserer modernen Weise zu denken.

Stefan Klein, 1965 geboren. Studium der Physik und Philosophie in München, Grenoble und Freiburg im Breisgau. Promotion in theoretischer Biophysik. Daneben Autor für die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Print- und Fernsehausbildung an der Henri-Nannen-Schule. 1996 bis 1999 Mitglied der Spiegel- Redaktion im Wissenschaftsressort und Autor zahlreicher Titelgeschichten. 1998
Georg-von-Holtzbrinck-Preis für Wissenschaftsjournalismus. 1999 Autor bei GEO.
Seit 2000 freier Wissenschaftsautor und Medienberater.

Publikationen
2002: Die Glücksformel: oder wie die guten Gefühle entstehen.
2004: Alles Zufall: Die Kraft, die unser Leben bestimmt.
2006: Zeit: Der Stoff, aus dem das Leben ist.
2008: Da Vincis Vermächtnis: oder wie Leonardo die Welt neu erfand.

WSK 08 –  Wilhelmine Goldmann

Donnerstag, 22. Jänner 2009, 19:00 Uhr, Hörsaal B

“Kultur schafft Wissen – Kultursponsoring als moralische Verpflichtung”

Das »Erlebnis Kultur« hat eine wichtige Funktion für unsere Herzensbildung. Kunst bereichert unser Leben, macht uns oft erst (er)lebensfähig. Der Beitrag von Kunst und Kultur zur Wissensvermittlung und Horizonterweiterung jedes Einzelnen von uns
wird drastisch unterschätzt.
Viele der großen Kunstwerke der Weltgeschichte wären ohne Kultursponsoring gar nicht
entstanden. Früher waren es Herrscherhäuser, wohhabende Mäzene und die Kirche, die einzelne Künstler unterstützt haben; heute erfüllt der Steuerzahler die Funktion, einen weitverzweigten Kunstbetrieb am Leben zu erhalten. Nie zuvor gab es so viele verschiedene Kunstrichtungen und Kunstarten wie heute.
Öffentliche Mittel werden relativ immer geringer und reichen oft nicht mehr aus – deshalb »müssen« zunehmend private Sponsoren an die Seite des Staates treten. So wie sich immer mehr Firmen zu »corporate & social responsibility« (CSR) bekennen und eigene Abteilungen damit beschäftigen, müsste eine »corporate social & cultural responsibility«(CSCR) entstehen – Unternehmen sollten sich moralisch dazu verpflichtet fühlen, einen Teil ihres Gewinns in Kunst und Kultur zu investieren und dies als langfristiges Investment in Wirtschaft und Gesellschaft erkennen. Wie in den usa sollte auch bei uns der Staat ein derartiges Engagement mit 100 Prozent steuerlicher Absetzbarkeit honorieren.

Wilhelmine Goldmann
1948 geboren in Traisen|NÖ. Studium der Wirtschaftswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre in Wien.
1971 bis 1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeiterkammer Wien.
1981 bis 1989 Vizepräsidentin des FFF Fonds zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft.
1992 bis 2000 Leitung des Bereichs Privatisierung und Beteiligungsmanagement in der ÖIAG; zeichnete für die Börsegänge von OMV, Böhler-Uddeholm, VA Tech, Voest Alpine Stahl AG verantwortlich und bekleidete zahlreiche
Aufsichtsratspositionen.
2001 bis 2004 Vorstandsdirektorin der Postbus AG.
2005 bis 2007 Vorstandsdirektorin der ÖBB Personenverkehr AG.
Seit 2001 Mitglied des Vereins »Opernwerkstatt Wien« und Veranstalterin des Open-air-Opernfestival in Wien.
Seit 2007 Kuratoriumsmitglied der Salzburger Festspiele und Kuratoriumsvorsitzende des Technischen Museums Wien.
Seit 2008 Vorsitzende des IFK Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften und Aufsichtsratsvorsitzende der Museumsquartier GmbH.

Publikationen
1991: Wem gehört Österreichs Wirtschaft wirklich?
Autorin zahlreicher Artikel.