Wissen schafft Kultur – 23.10.2007 I 08.11.2007 I 27.11.2007 I 17.01.2008
Vorlesungsreihe 1. Semester Winter 2007/2008
WSK 1: Björn Engholm
Dienstag, 23. Oktober I Alpen-Adria Universität I Hörsaal B, 19:00 Uhr
„Ästhetik im Zeitalter von Wissenschaft und Ökonomie. Wie man aus einem kulturellen Portfolio ein ökonomisches Portefeuille macht“
- An die Stelle der Gewissheiten und Übersichtlichkeiten der »Moderne«, nebst der mit ihnen verbundenen Werte sind neue Megatrends getreten: die Globalisierung auf der einen, neue Zersplitterungstendenzen auf der anderen. Sie heben die uns vertraute Welt aus den Angeln.
- Sich in dieser Welt, in der das Gewisseste die Ungewissheit geworden ist, zurechtfinden und Erfolg zu haben, ist Voraussetzung für qualifiziertes Überleben. Es ist fraglich, ob die cartesianische Logik, ob pure Ratio dieses Überleben sichert. Notwendig scheint die Mobilisierung all jener Kräfte, die im Zeitalter der Effizienz und Effektivität, der Zweckmäßigkeit und des Nutzens nicht oder nur spärlich gefördert und gefordert werden – der Intuition, der Imagination, der Phantasie.
- Eine neue Dimension des Denkens – eine alle Fähigkeiten einsetzende, ästhetische also – ist die den An- und Überforderungen der Zeit adäquate Denkform. Die Abkehr von überwiegend eindimensionalem und die Hinwendung zu einem ganzheitlichen Denken setzt Innovationskräfte frei, ohne die kultureller, wissenschaftlicher und ökonomischer Fortschritt nicht gedeihen können.
- Ein, vielleicht das ideale, Übungsfeld für erweiterte sinnliche Wahrnehmung und Phantasie ist die Welt der Künste. Nirgends sonst gibt es solche Vielfalt, Freiheit, Grenzüberschreitung und Bewegung.
Björn Engholm
1939 in Lübeck geboren. Lehre als Schriftsetzer, Studium Politik, Volkswirtschaft und Soziologie an der Universität Hamburg.
1981|82 Bundesminister für Bildung und Wissenschaft im Kabinett Schmidt.
1983–1988 Vorsitzender der SPD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag.
1988 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Veröffentlichung der Schrift »Vom öffentlichen Gebrauch der Vernunft«.
1991 Vorsitzender der SPD.
1992 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.
1993 Rücktritt nach den Enthüllungen im Zusammenhang mit der »Barschel-Affäre« als schleswig-holsteinischer Ministerpräsident, als Vorsitzender der SPD und als Kanzlerkandidat.
1994 Übernahme eines Beratervertrags bei dem Energiekonzern Preußen Elektra. Willy-Brandt-Preis für die Förderung der deutsch-skandinavischen Beziehungen.
Publikationen
1990: Vom öffentlichen Gebrauch der Vernunft
1992: 1921–1991: 70 Jahre ›Görlitzer Programm‹ der SPD – Von der Klassenpartei zur Partei des Volkes
WSK 2: Franz Fischler
Donnerstag, 08. November I Alpen-Adria Universität I Hörsaal B, 19:00 Uhr
„Europa – Ein Globalisierungsgewinner? Ökosoziale Marktwirtschaft, Nachhaltigkeit, sozialer Zusammenhalt, Lissabonprozess“
Wenn Europa seinen Wohlstand wahren, seiner sozialen Verantwortung nachkommen und seinen umwelttechnologischen Vorsprung behalten will, muss es offensiv die Vorteile der Globalisierung nützen und Wege aufzeigen, wie die negativen Globalisierungsfolgen minimiert werden können. Die Schlüssel im Umgang mit der Globalisierung sind eine massive Know-how-Intensivierung und die Entflechtung von Produktion und Energie-Input. Europa hat glaubwürdige und erfolgversprechende Konzepte, um die Globalisierung vernünftig zu gestalten, woran es mangelt, ist der Wille und die Geschlossenheit zum Handeln.
Franz Fischler
Geboren 1946 in Absam, Tirol; Studium der Landwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien, Universitätsassistent, 1985 bis 1989 Leitung der Landwirtschaftskammer für Tirol.
1989 bis 1994 österreichischer Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft.
1995, nach Österreichs Beitritt zur Europäischen Union, wechselte er als Europäischer Kommissar nach Brüssel.
Dort war er bis 2004 zuständig für die Ressorts Landwirtschaft, Entwicklung des ländlichen Raumes und Fischerei.
2003 Ernennung zum Ehrenbürger der privaten imadec University in Wien.
Seit 2006 Präsident des ökosozialen Forums
Publikationen
2006: Europa – Der Staat, den keiner will |Erinnerungen
WSK 3: Marianne Gronemeyer
Dienstag, 27. November I Alpen-Adria Universität I Hörsaal B, 19:00 Uhr
„Vernunft wird Unsinn Bildungsideen und ihr Scheitern“
Die Menschen müssen lernen, innerhalb von Grenzen zu leben. Das kann man sie nicht lehren. Um überleben zu können, müssen die Menschen bald lernen, was sie nicht tun dürfen. … Paradoxerweise … kann man die Menschen das, was sie unbedingt lernen müssen, nicht lehren und sie darin nicht unterrichten.
Ivan Illich
Aus dieser Einsicht, dass man die wichtigsten Dinge nicht lehren kann, lassen sich zwei verschiedene Konsequenzen ziehen. Nun gut, kann man sagen, wenn man das Wichtige nicht lehren kann, dann lehrt man eben das Unwichtige, denn gelehrt muss nun einmal werden. Oder: Ich beginne über das Lehren und das Lernen auf eine so gründlich andere Weise nachzudenken, dass die Institutionen der Bildung radikal auf den Prüfstand gestellt werden mitsamt allen Mythen, die sie über sich verbreiten, zum Beispiel, dass sie Bildung vermehren oder Chancengleichheit befördern oder Zukunft sichern. Die zweite Konsequenz, scheint mir, gehört zu den unveräußerlichen Pflichten der pädagogischen Professionen.
Marianne Gronemeyer
Geboren 1941 in Hamburg. Acht Jahre Lehrerin an der Haupt- und Realschule.
Zweitstudium der Sozialwissenschaften an den Universitäten Hamburg, Mainz und Bochum. Dissertation:»Motivation und politisches Handeln« (Hamburg 1976).
Von 1971 bis 1977 Friedensforschung an der Universität Bochum im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Friedens und Konfliktforschung. Habilitationsschrift: »Die Macht der Bedürfnisse« (Reinbek 1988).
1987 bis 2006 Professorin für Erziehungs- und Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Wiesbaden.
Publikationen
1993|1995: Das Leben als letzte Gelegenheit
1996|1997: Lernen mit beschränkter Haftung
2000: Immer wieder neu oder ewig das Gleiche? Innovationsfieber und Wiederholungswahn
2002: Die Macht der Bedürfnisse. Überfluß und Knappheit
2006: Simple Wahrheiten und warum ihnen nicht zu trauen ist
WSK 4: Birger Priddat
Donnerstag, 17. Jänner 2008 I Alpen-Adria Universität Klagenfurt I Hörsaal B, 19:00 Uhr
„Elitenbildung oder moderne Bildungsmärkte? Universitäten als Unternehmen“
Moderne Bildungsmärkte entstehen über die Diversifikation von Zertifikationen. Eingangsprüfungen arbeiten als Filter. Bestimmte Studiengänge|Universitäten bekommen Markenwert. Die Bildungslandschaft differenziert sich nach Qualitäten, inklusive aussagekräftigerer Rankings. Bildungsmärkte segmentieren – nicht nur über die Qualitätsniveaus, sondern auch zeitlich: man wird kürzere Qualifikationszeiten haben, dafür aber mehrere über das Arbeitsleben verteilt. Zum Teil wird die Ausbildung durch die Wahl der Arbeitsplätze selbst substituiert. Man sucht sich Arbeitsstätten, bei denen man mehr lernt als an anderen: als Investition ins eigene Humankapital, was sich später in höheren Einkommen verzinst. Personalentwicklung von Unternehmen wird ein Teil der modernen Bildungslandschaft. Bildung wird entlang von Bildungswertschöpfungsketten organisierbar. Vor allem aber werden sich die Methoden ändern, jedenfalls in den dann erstklassigen Instituten: Es werden Stätten hochwertiger Reflektion und Diskussion werden, neoplatonische Akademien. Die so ausgebildet sind, werden die neuen Eliten werden.
Birger Priddat
Geboren 1950, Studium der Volkswirtschaft und Philosophie in Hamburg. 1991–2004 auf dem Lehrstuhl für Volkswirtschaft und Philosophie an der Privatuniversität Witten|Herdecke 1995–2000 Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Seit 2004 auf dem Lehrstuhl Politische Ökonomie an der Zeppelin University Friedrichshafen|Bodensee, head of the department for public management & governance. Forschungsschwerpunkte: institutional economics, political governance, Theoriegeschichte der Ökonomie, Wirtschaftsethik, Zukunft der Arbeit.
Publikationen
1990: Hegel als Ökonom | 1995: Die andere Ökonomie. Schmoller | 1998: Moralischer Konsum| 2000: Der bewegte Staat (Hrsg.) 2000: Arbeit an der Arbeit | 2001: Electronic Government (gemeinsam mit St. A. Jansen) 2002: Nachlassende Bildung | 2002: Theoriegeschichte der Ökonomie | 2004: Moral und Ökonomie| 2004: Institutionenökonomie| 2005: Unvollendete Akteure – Komplexität der Ökonomie | 2006: Ethik des Konsums (gemeinsam mit P. Koslowski) 2006: Irritierte Ordnung: Moderne Politik | seit 20. August 2007 Präsident der PrivatUni Witten Herdecke