Kunst|Wissenschaft|Gesellschaft – 9. Oktober 2012
Gemeinsam mit der Stadt Villach präsentieren wir aus der Reihe
„ÖFFENTLICHE ÄRGERNISSE UND TABULOSE ÖFFENTLICHKEITEN“
am Dienstag, den 09.10.2012, um 19:00 Uhr
Parkhotel Villach „Bambergsaal“
Die Vortragenden und Ihre Themen:
Robert PFALLER – „Was man uns sagt. Und was wir wissen wollen.“
In bestimmten aktuellen Rechtssprechungen wie etwa im Fall Assange, in den
Suggestionen mancher Medien wie im Fall Kachelmann und im Individualverhalten vieler Menschen zeichnet sich derzeit ein bestimmtes Muster ab: Die Vorstellung, man müsse, zum Beispiel vor einem Sexualakt, von der anderen Person eine ganze Reihe von Wahrheiten gesagt bekommen. Auch beste Freundinnen und Freunde meinen, ihren Freundinnen und Freunden am besten alles, was sie über Dritte wissen, sagen zu müssen. Das gemeinsame Vorstellungsmuster lautet: „Hier gibt es bestimmte Arme, die so dumm sind, dass sie alles, was sie nicht gesagt bekommen, auch nicht wissen können – sie müssen durch Information oder Indiskretion geschützt werden.“ Aber ist das Ungesagte tatsächlich auch immer gleich das Nichtgewußte? Ist derjenige, der etwas nicht weiß, deshalb immer der Dumme? Kann Nichtwissenwollen nicht auch ein Zeichen von Würde und Souveränität sein? Beraubt diese typisch postmoderne „Informationspflicht“ diejenigen, die sie schützen will, nicht mindestens eines Rechts – wenn nicht mehrerer? Zum Beispiel des Nichtwissenmüssens? Oder auch des Rechts, die Fiktion aufrechterhalten zu dürfen, es nicht zu wissen? Und stellt dieses Recht auf Fiktion nicht eine grundlegende Bestimmung des mündigen Erwachsenen sowie des politischen Bürgers dar?
Univ.-Prof. Dr. Robert PFALLER
Geboren 1962 in Wien, seit 2009 Professor für Philosophie an der Universität für Angewandte Kunst in Wien; von 1993 bis 2009 Professor an der Kunstuniversität Linz; Gastprofessuren in Amsterdam, Berlin, Chicago, Oslo, Strasbourg, Toulouse und Zürich; Gründungsmitglied der Wiener Forschungsgruppe für Psychoanalyse stuzzicadenti; 2007 ausgezeichnet mit dem Preis „The Missing Link“ des Psychoanalytischen Seminars Zürich.
Publikationen
2002: Die Illusionen der anderen. Über das Lustprinzip in der Kultur. Suhrkamp
2008: Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft. Symptome der Gegenwartskultur. Fischer
2008: Ästhetik der Interpassivität. philo fine arts
2011:Wofür es sich zu leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie. Fischer
2012: Zweite Welten. Und andere Lebenselixiere. Fischer
Mona Hahn – „Mitunter merkt man gar nicht, was einen wirklich ärgern sollte.“
Zwingt eine veränderte Öffentlichkeit die Kunst, ihre Rolle, Methoden und Ziele zu überdenken? Welche Aufgabe und Verantwortung hat Kunst im Umgang mit von ihr hergestellter Öffentlichkeit? Warum ist das Interesse an den von Künstlerinnen und Künstlern produzierten Teilöffentlichkeiten auf Seiten der Politik und Wirtschaft in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen? Ist dies ein Bedeutungszuwachs der Öffentlichkeit an der Kunst, den von ihr kritisierten Umständen der in Folge mit einer größeren politische Einflussnahme einher geht? Oder ist es mitunter nicht ein Irrtum zu glauben, durch Aufdeckung und Benennung sozialer und/oder politischer Missständen auch automatisch an deren kalkulierter und kalkulierbarer Beseitigung mitzuwirken? Bringt nicht gerade die Veröffentlichung oftmals einer sehr subjektiven und persönlichen Auseinandersetzung innerhalb mancher künstlerischer Arbeiten eine ähnliche Problematik mit sich wie Realty-Soaps im Fernsehen? Bricht das allgegenwärtige öffentliche Unterschreiten persönlicher Schamgrenzen und die Zurschaustellung von Intimität in der Öffentlichkeit, die äußerst tabulos geworden zu sein scheint, ein ganz anderes Tabu? Eine künstlerische Verortung anhand von Beispielen aus Kunst, Medien, Marketing und Kommunikation: Worin unterscheidet sich die öffentliche Präsentation der Resozialisierung von schwer erziehbaren ostdeutschen Teenagern in nepalesischen Gastfamilien, ein Ernährungscoaching für übergewichtige Kinder von Hartz IV-Empfängern, die „Austrian International School of Sex“ der Jungen Industrie, die Patenschaftsvergabe von inhaftierten Prostituierten gefertigten Puppen und ein vorübergehend in einem Ausstellungsraum untergebrachter Swingerclub?
A.o. Univ.-Prof. Mona HAHN
Geb. in Frankfurt/Main; studierte Bildende Kunst an der Bauhaus-Universität Weimar; habilitiert über Kunst im öffentlichen Raum; unterrichtet an der Akademie der bildenden Künste Wien.