Kehrtwende – das Dorf als Zukunftsraum
Erste Trendwende – waren es 2010 noch 24 ha pro Tag so sind es heute nur noch rund 10 ha – das sind etwa 10 Fußballfelder –, die täglich verbaut werden. Damit verliert Österreich jährlich immer noch 0,5 % seiner Agrarfläche. Das hat zu einer zunehmenden Zersiedelung unserer schönen Landschaft geführt, wobei die ausufernde, Flächen-verschwendende Verbauung meist ein Ortsbild-Konzept vermissen lässt. Mit immer neuen Fachmarktzentren verlieren Dörfer damit in aller Regel nicht nur ihren typischen Charakter, sondern auch wichtige Struktur-Elemente und ihr Eigenleben. Die jüngere Generation wandert vermehrt in Großstädte ab, wo sie vielfältigere Berufschancen und persönliche Entfaltungsmöglichkeiten erwarten. Der Zuzug in den ländlichen Raum hingegen beschränkt sich oft auf die Entwicklung von Schlaf- oder Ferienhaus-Siedlungen, deren infrastrukturelle Folgekosten die Gemeinden überfordern.
Erfahrungen mit dem Corona-bedingten Lockdown erzwingen und ermöglichen nun jedoch ein grundlegendes Umdenken. Einerseits ist Wohnen mit ausreichendem Raum und Freiflächen zunehmend gefragt und in ländlichen Regionen besser leistbar als im dicht verbauten urbanen Raum. Andererseits haben das Arbeiten im Home-Office und die Einübung in Distance Learning gezeigt, dass die Zukunft der Arbeit und des Lernens nach dieser Krise in vielen Berufen anders als bisher organisierbar ist. Die Abkehr vom Dogma der täglichen Fahrt zu einem fixen Arbeitsplatz kann damit für den ländlichen Raum zu einer Kehrtwende führen: von der Landflucht zur „Stadtflucht“. Diese Entwicklung gilt es richtig zu nutzen. So werden die digitalen Vernetzungsmöglichkeiten im „Globalen Dorf“ mit einem Mal zur Chance, den ländlichen Raum und seine Dörfer wieder mit Leben zu erfüllen, an einer neuen Identität zu bauen und Ortskerne zu Begegnungsstätten für Jung und Alt zu gestalten.
Überall, wo derartige Konzepte zur Dorf- und Ortserneuerung bereits erfolgreich umgesetzt wurden, führte das zu größerer Zufriedenheit der Bewohner*innen. Dabei erweist es sich als wichtig, die kreative Kraft der ortsansässigen Gemeindebürger/innen mit entsprechendem Fachwissen zu kombinieren. Village Offices (Dorfbüros) als Begegnungsorte in bestehender Gebäudesubstanz könnten Modelle wie Co-Working und Co-Living fördern und zu einem neuen, „urbanen“ Lebensgefühl beitragen. Die Zukunft gehört digitalen Dörfern in lebenswerter Umgebung.
Unter Berücksichtigung globaler, europäischer und nationaler Vorgaben sollten sich die regional und kommunal verantwortlichen Entscheidungsträger*innen mit den neuen Bedürfnissen auseinandersetzen und dabei darauf achten, dass Dörfer in Gemeinsamkeit mit den neuen „Stadtflüchtlingen“ gestaltet und nicht durch weitere Zersiedelung verunstaltet werden. Wenn die Neudefinition und Wiederverwendung vorhandener Strukturen gelingt, sollte das Ziel realisierbar sein, die Bodenversiegelung bis 2030 auf 2,5 ha (und damit ein Viertel vom heutigen Wert) zu reduzieren.
Die 15. Carinthischen Dialoge beschäftigen sich von 23. bis 24. Juli 2021 mit diesem Leitthema „Kehrtwende – das Dorf als Zukunftsraum“.
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