Wissen schafft Kultur – 09.11.2011 I 30.11.2011 I 14.12.2011 I 18.01.2012

Vorlesungsprogramm 5. Semester Winter 2011|12

WSK 17  Rainer Münz

Mittwoch, 9. November 2011, 19.00 Uhr, Stiftungssaal im Servicegebäude der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

» Schuld und Schulden.  Das Dilemma der Politik und die Zukunft der Eurozone «

In den 1980er-Jahren galten vor allem Entwicklungsländer in Afrika und Lateinamerika als Kandidaten für Staatsbankrotte und anschließende unpopuläre Strukturreformen. Viele mussten durch IMF-Kredite und Schuldenerlässe aufgefangen werden. Heute trifft es vor allem reiche Länder – auch solche aus den Reihen der Europäischen Union. Am Anfang standen überschuldete Privathaushalte in den USA, die ihre Hauskredite nicht mehr bedienen konnten. Dies löste 2008–09 zu beiden Seiten des Atlantiks eine Weltfinanzkrise aus. Dabei wurden zunächst das europäische und US-amerikanische Bankensystem mit beträchtlichen öffentlichen Mitteln stabilisiert. Zugleich kam es 2009 zu einer weltweiten Rezession. Die globale Realwirtschaft schrumpfte zum ersten Mal seit 1945. Auch hier waren die entwickelten Staaten wesentlich stärker betroffen als die meisten Schwellenländer. Zur Rezessions-Bekämpfung erhöhten die meisten entwickelten Länder anti zyklisch ihre Staatsausgaben. Die Staatsschulden stiegen von einem häufig schon hohen Vorkrisenniveau weiter an. Seit 2010 stehen deshalb die Staaten selber im Mittelpunkt der Krise …

Rainer Münz, geboren 1954 in Basel, derzeit Leiter der Forschungsabteilung der Erste Group, Senior Fellow am HWWI Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut und Gastprofessor an der Universität St. Gallen. Münz studierte an der Universität Wien (Promotion 1978, Habilitation 1986), war bis 1992 Direktor des Instituts für Demographie der ÖAW, 1992–2003 Professor für Bevölkerungswissenschaft an der Humboldt-Universität sowie Gastprofessor an den Universitäten Bamberg (1986), UC Berkeley (1986, 1989, 1997–98), Frankfurt |M. (1988), Klagenfurt (1995, 1997), Wien (2001–02) und Zürich (1992), Fellow des Instituts für Finanzmathematik der tu Wien (2001-02). Daneben war er Konsulent für die Europäische Kommission, die OECD und die Weltbank sowie von 2008 bis 2010 Mitglied des sogenannten »Weisenrats« der EU. Rainer Münz ist Mitglied in mehreren Aufsichtsräten und internationalen wissenschaftlichen Beiräten.

Publikationen: 2011: Temporary and circular migration: opportunities and challenges (mit Sheena McLoughlin) 2009: System Changes in South Eastern Europe: Social, Political and Demographic Consequences (mit Heinz Fassmann und Dieter Segert) 2007: Wie schnell wächst die Zahl der Menschen? Weltbevölkerung und weltweite Migration (mit Albert F. Reiterer)

WSK 18 Ekkehardt Krippendorff

Mittwoch, 30. November 2011, 19.00 Uhr, Stiftungssaal im Servicegebäude der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

» Eine ›europäische Friedenskultur‹? Krieg, Wissenschaft und Literatur «

Die Kriege der 1990er Jahre in Jugoslawien haben – wieder einmal – den Beweis geliefert: Frieden als Grundorientierung gesellschaftlicher Ordnung ist viel zu wichtig, um der politischen Klasse – oder den Diskursen der Politologen – überlassen zu werden. Es bedarf vielmehr der Einbeziehung  von Wissenschaft, Kunst und Kultur, um auf breiter Basis eine Kultur des Friedens zu entwickeln, die längerfristig auch die Politik nachhaltig  beeinflusst. Gerade die Literatur ist oft ein Seismograph für Formen der Gewalt, die politisch unterbelichtet sind, und – zumal das Theater – erlaubt es, sich in Andere, auch in Gegner hineinzuversetzen und kann somit Fundamente für Brücken des Verständnisses legen. Die Vorlesung von Ekkehart Krippendorf findet im Rahmen der Internationalen Tagung »20 Jahre Kriegsbeginn in Jugoslawien. Verantwortung und Herausforderungen einer Europäischen Friedenskultur« statt und setzt fort in einem Dialog Krippendorfs mit Werner Wintersteiner, Leiter des Zentrums für Friedensforschung und Friedenspädagogik an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Ekkehardt Krippendorff: Geboren 1934 in Eisenach|Thüringen, Studi um der Politikwissenschaft, Geschich te und Philosophie in Freiburg|Breisgau, Tübingen und Berlin, mehrjähriger usa-Aufenthalt, 1969–78 Professor für Inter nationale Beziehungen, Johns Hopkins University, Bologna Center (Bologna), zuletzt Professur an der fu-Berlin (1978–99), Professor für Politikwissenschaft und Politik Nordamerikas, John F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien.

Publikationen: 2009: Die Kultur des Politischen 2008: Franz von Assisi – Zeitgenosse für eine andere Politik (mit Peter Kammerer und Wolf-Dieter Narr) 2007: Shakespeares Komödien – Spiele aus dem Reich der Freiheit 2006: Ma’at, Konfuzius, Goethe (mit Jan Assmann und Helwig Schmidt-Glintzer)

WSK 19 Anneliese Rohrer

Mittwoch, 14. Dezember 2011, 19.00 Uhr, Stiftungssaal im Servicegebäude, der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

» Endlich handeln! Für ein Ende des Gehorsams“

Politikverdrossenheit gefährdet die Demokratie. Kaum jemand scheint sich in Österreich dieser Gefahr bewusst zu sein, diagnostiziert Anneliese Rohrer in ihrem Buch »Ende des Gehorsams«.  Demokratische Institutionen werden ausgehöhlt, Spielregeln missachtet, Verfassungsrechte nicht beachtet, ohne dass sich Widerstand regt. Höchste Zeit, sich zur Wehr zu setzen und hart erkämpfte, aber oft unbekannte Mitbestimmungsrechte zu verteidigen, findet Anneliese Rohrer.
Mit Publikationen, Vorträgen und Auftritten in den Medien möchte sie ihr Publikum aus der Lethargie aufwecken und dazu anregen, sich für politische Mitbestimmung einzusetzen. Ihre These: Nur wenn alle Bürgerinnen und Bürger die Verfassung und die Institutionen dieses Staates ernst nehmen, wird Österreich in seiner demokratischen Verfasstheit und Freiheit langfristig weiter existieren können. Dazu braucht es Leidenschaft und Menschen, denen die Demokratie eine Herzensangelegenheit ist.

Anneliese Rohrer: Geboren 1944 in Wolfsberg, Geschichte-Studium in Wien, Universitätsassistentin in Aukland (Neuseeland), seit 1974 Journalistin bei der Tageszeitung »Die Presse«, ab 1987 Leitung des Ressorts Innenpolitik, 2001–2005 Leitung des Ressorts Außenpolitik. 2003 Auszeichnung mit dem Kurt- Vorhofer-Preis für Politikjournalismus.

Publikationen: 2005: Charakter Fehler. Die Österreicher und ihre Politiker. 2011: Ende des Gehorsams.

WSK 20 Michael Köhlmeier

Mittwoch, 18. Januar 2012, 19.00 Uhr, Stiftungssaal im Servicegebäude der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

» Weder für noch gegen! Über die ›Nichtwiderständigkeit‹ von Literatur«

Literatur steht in keinem und zwar in gar keinem Interesse von irgendwas oder irgendwem! Im Gegenteil: dort wo sich Literatur in den Dienst einer, außerhalb von ihr liegenden Sache stellt, wird sie schlecht. Warum? Weil sie sich einer Hierarchie von Wesentlichem und Unwesentlichem unterwirft, die nicht nach ästhetischen Kriterien gebaut wurde. Wie Brecht sagte: In Zeiten wie diesen kann ein Gedicht über Bäume ein Verbrechen sein. Dann ist es besser, man schreibt gar kein Gedicht. Auch die »Widerständigkeit« ist ein fremdes Interesse. Heraus kommen bierernst biedere korrekte Texte, die von zweitklassigen Reportagen bereits überholt werden. Literatur ist in ihrer Bedeutung tautologisch, das heißt, sie macht sich die Gesetze selbst, die sie befolgt. Es gibt keine über ihr stehende Instanz. Die »Widerständigkeit« aber wäre so eine Instanz. Es fällt dem Schriftsteller in mir manchmal schwer, dem empörten Bürger in mir nicht nachzugeben, aber immer, wenn ich Literatur geschrieben habe, die ich in irgendeinen Dienst zu stellen beabsichtigte, habe ich mich hinterher geschämt – weil sie so schlecht geworden ist.«  Die 20. Vorlesung von »Wissen schafft Kultur« findet in Kooperation mit dem Robert-Musil-Institut und dem Radiosender Ö1 statt und wird als  Dialog gestaltet: »Zeitgenossen im Gespräch«, Michael Kerbler spricht mit Michael Köhlmeier.

Michael Köhlmeier: Geboren 1949, lebt als Schriftsteller in Hohenems (Vorarlberg) und Wien. Er studierte Germanistik, Politikwissenschaften, Philosophie und Mathematik.

Publikationen: 2007: »Abendland«, Roman, München: Hanser 2008: »Idylle mit ertrinkendem Hund«, Wien: Deuticke 2010: »Madalyn«, Roman, München: Hanser

Der Eintritt zu den Vorlesungen ist frei –
wir bitten Sie jedoch um Ihre Anmeldung im Formular oder unter: