Er, der er die gesamte Philosophie des Abendlandes kritisch hinterfragte, findet sich in einer radikalen Voraussetzungslosigkeit wieder, die seinesgleichen sucht:
Konsequent belässt er die Vernunft des Menschen, die zur eigentlichen „zweiten Menschwerdung“ führt, im Unbestimmten, im Nichts! Sie wird zum Organ der Selbstbestimmung: Sie trennt sich von allem Bestimmten und lässt den Geist und das „Ich“ entstehen.
Heintel wendet sich gegen alle Versuche der Philosophie, das Nichts auszudeuten: Wir stehen vollends im Ungewissen, im Unbestimmten! Alle Erklärung versagt. Uns bleibt keine andere Wahl, als diese radikale Offenheit/Unbestimmtheit zu ertragen. Der Mensch steht in Differenz zu sich und zur Welt. Es bleibt ihm nur der Weg, mittels substanzloser Medien – wie Geist, Seele, Vernunft oder Freiheit – Bestimmung zu gewinnen. Das impliziert – radikal gedacht – auch die Möglichkeit, unserer scheinbar „vernünftig gewordenen Welt“ eine „andere Vernunft“ entgegenzusetzen.
Heintels Credo: Der Mensch ist nicht nur, sondern er ist sich aufgegeben. Nichts kann ihn davon befreien, individuell und kollektiv Verantwortung wahrzunehmen.
Damit wendet er die Philosophie von den Versuchen der Welterklärung hin zu einer Organisationsaufgabe: Die (hierarchische) Wahrheitsautorität durch kollektive Selbstreflexion und „Wahrheitsfindung“ zu ersetzen. Das war auch die ursprüngliche Aufgabe von Philosophie, die sie Zug um Zug verloren hatte. Ins Moderne gewendet bedeutet kollektive Selbstreflexion als Instrument der Steuerung komplexer Systeme nichts anderes als die Verwirklichung von „demokratischer Praxis“!
Heintels sokratisch orientiertes Modell der Philosophie als Sachwalterin des Widerspruchs ist jenseits von Lösungen und Letztwahrheiten auf das Prozessuale orientiert. Eine solche Philosophie versteht sich als „Prozesswissenschaft“, sie entwickelt prozessorientierte Organisationsformen von Kommunikation.
DDr. Helmut Friessner